Das System der Mythen

Kapitel aus “Astrologie ohne Dogma”

Die Wirklichkeit ist ein dialektischer Prozess. Einmal wird sie von Menschen, von menschlichem Handeln nach Maßgabe seiner Sinne geformt.  Auf der anderen Seite wirkt die so konstruierte Wirklichkeit auf den Menschen als „neue Wirklichkeit“ zurück. Berger/ Luckmann[1] bezeichnen diesen Prozess als Objektivation und Internalisierung der selbst geschaffenen Realität. Bereits Thomas von Aquin sah den Menschen als ein instinktarmes Tier, dass die fehlenden Überlebenstriebe durch eine grundsätzliche Offenheit für die Welt ausgleichen musste. Die permanente Neuordnung (Institutionalisierung) der Gesellschaft ist die Garantie des Überlebens angesichts der verloren gegangenen Überlebenstriebe.

Wenn wir in der Astrologie Gesellschaft untersuchen und das Zusammenleben von Menschen, dann ist auch dies ein Objektivierungsprozess, der eine zweite Wirklichkeit schafft, die auf die „wahre Realität“ zurück wirkt. Es ist ein Prozess der „Sedimentierung“ menschlichen Wissens, eine Ablagerung der historischen Prozesse, die griffbereit für die aktuelle Umformung bereit gehalten werden, wie sie auch in allen anderen Wissensbereichen stattfindet. Diese Sichtweise geht auf die philosophische Anthropologie von Plessner, Scheler und Gehlen zurück.

Menschen neigen dazu, ihr Verhalten zu habitualisieren, d.h. bestimmten Riten zu unterwerfen, die den Normen der jeweiligen Institutionen, der sie sich zugehörig fühlen, entsprechen. Es ist weniger die Herkunft oder Eigenheit des Menschen, als seine selbst gewählte Zuordnung zu bestimmten Einrichtungen, die ihn als Individuum auszeichnet. Entsprechend dieser Sichtweise ist das Horoskop weniger ein „genetischer Fingerabdruck“ einer von Anfang an stattfindenden Prägung, sondern eine Struktur, die sich in vielfältigster Weise interpretieren und formen lässt, je nach Blickwinkel und Perspektive.[2]

Sprache ist das Fundament des kollektiven Wissensbestandes, durch die die Erfahrung allgemein zugänglich gemacht wird. Sprache ist nicht rein rational erfassbar, da sie immer in einen Prozess der Interpretation und Mythenbildung einbezogen ist.  Die gesellschaftlichen Institutionen geben die Möglichkeit, den eigenen Anteil selbst zu bestimmen und den Handlungsrahmen innerhalb typisierter Rollen auszugestalten. Diese Rollen sind nicht fixiert, sondern wandelbar innerhalb einer begrenzten Ordnung, die diese Rolle repräsentiert. Ein König kann kein Bettler sein, aber es kann viele Arten des Rollenspiels König und Bettler geben. Die Bestimmung des nicht-rationalen Anteils der Sprache führt über diese Rollen. Wir wissen nicht, ob ein König wirklich ein König ist und ein Bettler ein Bettler, wir wissen nicht, ob sich ein Löwegeborener wie ein Löwe verhält, weil er sich selbst spielt oder jemand anders.

Die Integration der verschiedenen Kommunikationssysteme in die Weltgesellschaft, wie Luhmann sie nennt ist das Programm der neueren Soziologie. Es braucht ein Symbolsystem, dass imstande ist, die Gesamtheit der Bedeutungen abzubilden und abweichende Interpretationen zu integrieren. Dies ist kein Phänomen der Neuzeit allein. Von früh an schafft der Mensch sich die Instrumente zur Strukturierung seiner Umwelt in Form von Zeichen und Bedeutungszuweisungen. Sie richten sich nach den eingesetzten Werkzeugen und den ritualisierten Handlungsfolgen, die sich in abstrakter Weise von der praktischen Handhabung entfernen können. Wenn wir heute den Kosmos mit Raumsonden erforschen und als Ursprung ein schwarzes Loch postulieren, so ist das vom Prinzip her derselbe Zusammenhang von Beobachtung der Natur, praktischer Selbst-Erforschung und Mystifizierung, wie vor vielen tausend Jahren. Astrologie ist in diesem Sinne so etwas wie eine Protowissenschaft, die die Werkzeuge des Geistes selbst beschreibt und den Rückbezug der von ihr geschaffenen Kategorien auf unsere Wirklichkeit betont.

Diese symbolische Sinnwelt bedarf selbst gesellschaftlicher Institution und kommunikativer Systeme, wie sie durch Religion, Wissenschaft, Philosophie und Esoterik gegeben sind. Nur sie können die Gesellschaftsordnung als Ganzes legitimieren und dem einzelnen Individuum eine Maßgabe der Internalisierung sein. Von sich aus ist der Mensch weder religiös, wissenschaftlich, philosophisch oder esoterisch.  Eine erfolgreiche Sozialisierung bedeutet allgemein eine Symmetrie zwischen subjektiver und objektiver Wirklichkeit und das Vermögen, zwischen den eigenen und fremden Anschauungen zu vermitteln. Sich innerhalb der verschiedenen Überzeugungs-Systeme zurecht zu finden und eine eigene Position zu entwickeln ist die Voraussetzung zur kreativen Teilhabe an den strengen Normen gesellschaftlicher Teilhabe.

Die fortlaufende Ausdifferenzierung der verschiedenen Gesellschaftsteile macht eine ständige Anpassungsleistung und innere Wandlungsbereitschaft erforderlich. Wir erleben diesen Prozess im Moment im Zuge der neuen Kommunikationsmedien. Wie auch immer man dazu steht muss man sich der Technik bedienen, um sich verständlich zu machen. Indem man die Technik benutzt verändert jeder in winzigen Ausmaß die Richtlinien und Bedeutungszuweisungen und kreiert sozusagen den eigenen Mythos und Bedeutungszusammenhang  immer wieder auf neue Weise wie einst Sysiphos innerhalb der verschiedenen Kommunikationssysteme und ihren Institutionen. Die Pflege des Mythos gehört untrennbar zur Institution dazu. 

Mythen sind nicht nur ein Merkmal vergangener Kulturen, sondern ein Bestandteil aller rationalen Systeme. Jedes System nährt seinen Mythos. Je mächtiger es ist, desto größer sein Mythos. Das Internet ist nicht nur eine Konstruktion von Drähten und Siliziumchips, sondern auch ein Pool für Hoffnungen und Gefahren, Ängsten und Lebensgeschichten. Der Mensch möchte wissen, wo seine Reise hingeht. Dafür muss er die Bilder der Vorzeit bemühen. Die Partei, die sich für Freiheit im  Internet einsetzt, nennt sich „Piraten“, die größte Softwarefirma „Oracle“. Die Kämpfe und Versöhnungen sind dieselben wie zu allen Zeiten. Das übermächtige Microsoft  wird mit technischen Tricks lahmgelegt, die Gegenspieler geben sich den Anschein höherer Moralität. Der Mensch kann nicht anders, als die die Mythen zu bemühen, auch Plato sah deshalb den Philosophen, der die tiefere Logik von Zusammenhänge beschreiben will, als den „Mythenfreund“, der heimlich über seine eigene Unvernunft lachen kann.

Für die Astrologie ist es wichtig, das Zusammenspiel zwischen Mythen, Zeitgeist und Symbolen der Macht zu kennen. Die größte Blüte erlebte die Astrologie im 16. Jahrhundert, als sie bei der Entstehung der humanistischen Naturwissenschaften beteiligt war. Auch heute kann die Astrologie helfen, die Mythen der Neuzeit zu entschlüsseln und ein positives Menschenbild zu zeichnen. Dazu ist allerdings ein Studium der gängigen philosophischen und wissenschaftstheoretischen Grundlagen notwendig. In der Neuzeit werden Mythen allgemein als etwas gegen die Vernunft und Wissenschaft gerichtetes gesehen. Diese Sichtweise wurde vor allem von Adorno/Horkheimer und später von den Poststrukturalisten kritisiert. Für sie ist die Aufklärung selbst ein Mythos, der die Natur des Menschen unter dem Banner der Freiheit einsperrt und reglementiert. Indem wir uns so verhalten, als wären wir frei, folgen wir in Wirklichkeit den Vorgaben der Industrie, Verbraucherinstituten und Werbung. Die Illusion der Freiheit  verstärkt die Repression, denn wer sich nicht einfügt in den Prozess von Arbeit, Konsum und Freizeitgeschäft, der ist verdächtig.

Einen anderen Ansatz zur Rehabilitation der Mythen verfolgt die  philosophische Anthropologie von Gehlen, Plessner, Scheler, Blumenberg, Berger und Luckmann u.a. Sie enthält für eine soziologisch orientierte Astrologie wesentliche Ansätze und sieht den Menschen nach dem Vorbild von Nietzsche als Mängelwesen und „nicht festgestelltes“ Tier. Ihren Einsichten zufolge ist der Mensch ein „instinktentbundenes, antriebsüberschüssiges und weltoffenes Wesen“, das gleichzeitig zu seiner relativen Instinktarmut eine Weltoffenheit,  Formbarkeit, Lernfähigkeit und Erfindungsgabe besitzt, die ihm erlaubt, an jedem Platz der Erde zu überleben, wenn es sich die Umwelt zu Nutze machen und formen kann. Mit dem Verlust der Instinkte ist allerdings auch eine Unsicherheit über die eigenen Motive und Befindlichkeiten verbunden.

Wenn das Tier noch instinktsicher Nahrung, Schutz und Fortpflanzung bewerkstelligt, so muss der Mensch seine Handlungen in Bezug auf die von ihm formierte Umwelt stets bedenken. Die Rückbildung der Organe macht ihn zu einem potentiell anfälligen Wesen, was er durch eine Offenheit gegenüber der Welt ausgleichen kann. Der Mensch ist nicht beschränkt auf einen Ausschnitt der Umwelt, doch ist er gezwungen, Institutionen zu schaffen, die ihm helfen, das Leben zu organisieren. Werkzeuge und Waffen sind der verlängerte Hebel seines Geistes, mit denen er seine Umwelt gestaltet und gezwungen ist, die von ihm vorgenommenen Veränderungen wiederum anzupassen.

Die Frage, was also der Mensch vor dem Tier ist, kann von dem Moment nicht mehr beantwortet werden, wo der Mensch seine eigene Position reflektierend so strukturiert, dass seine ehemaligen Instinkte in das Gerüst der Natur passen. Menschliche Wut und Trauer ist nicht mehr nur rein biologisch zu verstehen, sondern als ein Prozess des Nachdenkens über die eigenen Instinkte.[3] Darüber hinaus ist in wachsenden Gemeinschaften eine Zügelung der „natürlichen“ Aggressivität gefordert und ein kreatives Gestalten. Die „natürliche Kultiviertheit“ und „unvermittelte Unmittelbarkeit“, wie Plessner es nennt, belässt den Menschen in einer Selbsttäuschung über seine animalischen Gründe. Die eigentliche Ursache eines Gefühls kann nur durch den Umweg der Spiegelung an den anderen oder einem abstrakten Wesen wie Gott erfahren  und kommuniziert werden.

In der Sprache drückt sich dieser Prozess der zunehmenden Abstrahierung der menschlichen Lebenswelt direkt aus. Sprache ist nicht nur ein Mittel zur Verständigung, sondern Kulturträger selbst. Blumenberg[4] sah in den Mythen Prototypen der Institutionen, die menschliche Gesellschaft von den ersten Schritten an begleitet, religiöse, metaphysische, technische, politische Institutionen, die das Zusammenleben regeln und zusammenfassen. Die Metaphern der Sprache stehen für die Institutionen selbst, ihre Beherrschung ist Voraussetzung für die Teilhabe am Leben. Je etablierte die Position desto größer die Notwendigkeit der Kenntnis der rituellen Bilder und der Beherrschung des mit ihnen verbundenen Spiels. Das signifikante Vorbild eines Anderen wird zu einem generalisierten Idealtypus, einem Stilbild der Gesellschaft und ihren Anforderungen und Normen.

Ob ein Clan sein Totem anbetet, ob die Kirche ein Abendmahl gibt, ob die Wissenschaft einen Teilchenbeschleuniger baut oder ob die Internetgemeinde sich einen Open Source- Bereich schafft, immer geht es auch um die Einschwörung von Verhaltensregeln, um das Üben der Metaphern und die Suche nach dem die Gemeinschaft tragenden, abstrakten Konsens. Die soziale Wirklichkeit des Menschen ist vor allem eine erzählende, da wir der Instinkte verlustig gegangen sind. […Das Bewusstsein in der Alltagswelt funktioniert subjektiv sinnhaft, intentional und objektbezogen. Damit ist es abgegrenzt von Bewusstseinsformen in anderen Welten: Traum, theoretische Physik, Spiel und im weiteren Sinne auch Kunst und Religion. Eine bestimmte Wirklichkeitsordnung strukturiert die Alltagswelt. Aspekte dieser Ordnung sind Sprache, Technik, soziale Beziehungen, das Hier und Jetzt als Zentrum, die Differenzierung in Nah- und Fernzonen, die Spezifika der Arbeitswelt, Intersubjektivität, verschiedene mögliche Perspektiven, Selbstverständlichkeit, Ausbildung von Routine- und Problembereichen, die Ausbildung eines Erfahrungsrahmens und eine Zeitstruktur, die sowohl das Konzept permanenten Zeitflusses als auch zeitliche Einzelabschnitte denkbar macht…][5]

Die Interpretation der Umwelt ist zwangsläufig eine subjektive und unvollständige und bedarf immer weiterer Kommunikation und Abstrahierung. Sprache in ihrer Selbstbezüglichkeit kann keine objektiven Sachverhalte wiedergeben. Was als Normalität, als Kontinuität  empfunden wird, ergibt sich aus dem Gesellschaftsspiel der ritualisierten Handlungen und ihrer „Geschichte“.  Der Mythos, die Metapher, das katathyme Bild im „Dazwischen“ überbrückt eine unsichtbare Sinnwelt und die Widersprüche des Alltag.  […Soziologisch wesentlich ist, dass jede symbolische Sinnwelt und jede Legitimation Produkt des Menschen ist. Die Grundlage ihres Daseins ist das Leben lebendiger Menschen. Abgetrennt von dieser ihrer Grundlage besitzen sie keinen empirischen Status….][6]. Unsere Institutionen, Werkzeuge usw. sind Mittel der Kommunikation und Verständigung, alle Modelle und Theorien dienen dazu, uns die Lebenswelt offen zu halten. Auf der anderen Seite führt das Eingebunden sein in Pläne und Strukturen  zu der Sehnsucht nach Freiheit und Spontanität und damit zu Loyalitätskonflikten. Davon handeln Märchen, Mythen und Allegorien.

Der Mensch muss lernen flexible Rollen einzunehmen, wo konkurrierende und widersprüchliche Weltbilder im Äußeren ihn in konkrete Handlungsschwierigkeiten bringen. Um sich selbst treu bleiben zu können, braucht es zuerst einmal eine Vorstellung von „Ich“, etwas was dem Tier vollkommen fremd ist und für den jungen Menschen zunächst einmal unnatürlich ist, da er in seiner Sozialisation so viele Jahre im geborgenen Schutz der Familie verbracht hat, wo kein „Ich“ notwendig war. Erinnerung an Mythen und Märchen, emanzipative Geschichten und die Biographien der Idole und Helden helfen, aus der Unmündigkeit heraus ein Selbstbild zu entwickeln, dass den komplexen Formen des gesellschaftlichen Zusammenspiels gerecht wird. […Spezifische Identitätstheorien sind immer selbst in ein größeres Wirklichkeitsbild eingebettet. Schlicht gesagt: jede Psychologie hat eine Kosmologie zur Voraussetzung…][7] Die Mythen lehnen sich in ihrem Aufbau an institutionelle Handlungsmuster an und wiederholen prozesshaft, was an Erwartungen gesellschaftlicher Normen darüber liegt. Die in ihnen liegende Ironie verändert allerdings den Sachverhalt subtil so, dass er nicht mehr auf dieselbe Weise ausgedrückt werden kann, ohne Lächerlichkeit hervorzurufen, das Bild enthält einen anderen Ausdruck.[8]

Sozialwissenschaften, Psychologie und auch die Astrologie untersuchen Gesellschaft und menschliche Handlungsmotive. Sie sind bestrebt, „vernünftig“ zu denken und einen wissenschaftlichen Anspruch an die Objektivierbarkeit menschlicher Handlungen zu kultivieren. Damit stoßen sie aber auch auf den Widerspruch, dass jede Wissenschaft eine gewachsene Historie hat, hinter die sie nicht zurückgehen kann, vor der es aber auch einen Menschen gab. Der Mythos der „damaligen Zeit“, kann in diesem Sinne genauso real wie „die momentane Wirklichkeit“, die ihren Anspruch auf eine logische Handlungsfolge stellt. Man denke z.B. an die Mythen des Marxismus und ihre immer wiederkehrende Aktualität und immer neu geschriebene Geschichte mit der Betonung verschiedener Anfänge und Schwerpunkte. „Der“ Marxismus entsteht wie alle Systeme aus der Wieder-Holung seiner  Inhalte ständig neu, während die Bilder ähnlich bleiben.

Der Mythos ist allerdings per Begriff genau das, was nicht die Wirklichkeit ist. Die soziale Wirklichkeit, die veränderbar ist, ja die durch die „Mythenbastler“ verändert werden will. Dabei entsteht ein Widerspruch der Anforderung an den Menschen als kreativen Gestalter seine Umwelt und dem Anspruch einer systemangepassten, berechenbaren Norm. Dieses Paradoxon bleibt solange bestehen, bis das Verständnis der Begrenztheit der eigenen Betrachtungsweise aufgehoben ist und etwas Neues entstehen darf, das den Mythos als solchen identifiziert, ohne ihn zum Dogma zu erheben oder zu verdammen. Psychologisch gesprochen ist der Mythos die unbewusste Verbindung zu dem eigenen Schatten, wie es C. G. Jung nannte, ein Schatten, der uns beispielsweise in Form der Anima, des Meisters oder der „großen Mutter“ entgegentritt.[9] Auf kollektiver Ebene spiegelt er die dunklen Themen der Gesellschaft, die nicht objektivierbar erscheinen, aber trotzdem existieren. 

Der Mythos erhält eine Anbindung an die Widerstände, ohne diese durch rationale Handlungs-Aufforderungen unangenehm kritisch zu hinterfragen und damit die Person grundsätzlich in Frage zu stellen. Als Teil des Mythos, der variabel erzählbaren Geschichte, existieren wir ein zweites Mal, im Guten wie im Bösen, im Konstruktiven wie Destruktiven, im Sinnvollen wie im Sinnlosen. Die Überschreitung der Grenze zwischen dem noch nicht begonnenen Neuen und dem Alten, das seinen Sinn erfüllt hat, ist der Moment der Reflexion, der immer schon vergangen ist, indem er erkannt worden ist. Dadurch entsteht die Notwendigkeit zeitlicher Beschreibung, die immer auch eine mythische ist, da die Gegenwart mit ihrer absoluten Gewissheit nicht existiert, immer schon Vergangenheit ist. […Was Anfänge betrifft, sollten wir sehen, dass wir hier sitzen, und jeder Moment ist immer, immer ein Anfang. ‚Alles ist jetzt und hier‘, das ist für mich wie ein Zauberspruch, den ich von meiner Großmutter Marie Lang gelernt habe. ‚Alles ist jetzt und hier.‘ Daher sind für mich auch Geschichtsprobleme, die ferne Vergangenheit, der Anfang des Universums immer jetzt und hier, die Geschichten darüber immer hier und jetzt konstruiert. Jedes Mal, wenn wir darüber sprechen, haben diese Geschichten eine andere Form, besitzen einen anderen Kontext; sie werden anders, wenn ich zu Albert spreche oder zu Karl oder wenn ich zu beiden spreche. Das Jetzt und das Hier, das ist für mich ein zentraler Punkt, es ist der Anfang jeden Anfangs…][10]

Vermittlung der Schöpfungsmythen

Technische Praxis und die dazugehörigen Theorien wirken zurück auf das Kommunikations-Verhalten, das, seitdem der Mensch planend in seine Umwelt eingreift, immer schon ein reflektiertes war.[11] Die Sprache steht immer zwischen uns und der direkten Wirklichkeit, die wir beschreiben müssen, um sie verhandelbar zu machen. Es gibt keinen „Ursprung“ in dem Sinne universeller Bilder oder Gesetze, die durch den Menschen in Wirkung mit der Welt treten; die Symbole treten im (post)konstruktivistischen Sinne im Kontext der Handlung und Gestaltung in Erscheinung. Der Ofen muss quasi immer wieder von vorne erfunden werden, sei es vom Lagerfeuer der Hippies oder einer Solaranlage von Eurosolar. Vom wärmenden Feuer über Kohleöfen bis zur Solaranlage sind es mehrere Schritte, die ihre Theorien, ihr Denken und ihr „richtiges“ Verhalten haben.

Mit dem Gebrauch ist immer zugleich ein bestimmter Anspruch und eine gesellschaftliche Absicht verbunden. Die „Institutionalisierung“ des Lebens beginnt nach Arnold Gehlen[12] in dem Entwurf einer Götterwelt und der damit einhergehenden Rationalisierung von Handlungsabläufen in Riten und Ritualen. Mythen sind nach Hans Blumenberg sozusagen Prototypen von wissenschaftlichen oder philosophischen Ideen, die den Gebrauch legalisieren helfen, quasi steinzeitliche Werbung, der durch eine unbestimmte Angst vor einer ambivalenten Außenwelt gespeist ist. Diese Angst ist der Antrieb für die Schaffung von Sicherheitssystemen und technischen Hilfsmitteln.

Angst ist ein unbestimmter Zustand, der nicht wie eine konkrete Furcht vor etwas, rational erfassbar wäre. Angst begleitet den Menschen nach dem Hans Blumenberg, seit er der den die gesicherte und gleichbleibende Innenwelt  des Urwalds verlassen hat  und in den Außenraum der Savanne eingetreten ist. Dort musste er aktiv mit der inneren wie äußeren Leere umgehen lernen. Innen- und Außenraum erfuhren eine Trennung. Indem der Mensch in den von ihm selbst geschaffenen Innen- und Schutzräumen sich geborgen fühlte, wurde die Außenwelt zunehmend zu einer subjektiven Bedrohung. Das Leben bestand nicht mehr aus einfacher Anziehung und Abstoßung, sondern aus zunehmend komplexen Ebenen des Daseins, die einer „Innen/Außen-Dichotomie gesteuert wurden. Die unbekannte Umwelt war nichtmehr entweder anziehend oder abstoßend, sondern in gemischten Gefühlen anziehend und abstoßend zugleich. Der Außenraum bot dem monotonen Dasein der Innenräume trotz der Gefahren eine interessante Abwechslung. Im Bewusstsein dieser Ambivalenz fing der Mensch an, Werkzeuge zu schaffen, die ihm das Leben erleichtern konnten. 

Sie veränderten die ihm bekannte Natur und wurden zum Objekt seiner inneren Beweggründe. In den Objekten liegt also für Blumenberg nicht nur eine rein rationale Bedeutung, sondern immer auch eine ein Mythos, der die Geschichte des Gegenstands erzählt und uns mit ihm verbindet, sei es das Totem eines Stammes oder das Smartphone der Applegemeinde. In den 90er Jahren wurden „Tamagochis gefüttert“, ohne dass dahinter eine sozial einleuchtende reale Bedeutung stand. Für manche war es eine sinnlose Spielerei wie mit elektronischen Puppen, doch heute füttert der Mensch sein Smartphone und Facebook liebevoll mit persönlichen Informationen, als hätte er nie etwas anderes getan. Die Dinge sind für uns durch die Bedeutung existent, die wir ihnen geben, da der Mechanismus immer wieder überraschende Neuerungen birgt und eine grundsätzliche Frage nach dem Sinn mit sich bringt. Wenn es morgen keine Computer mehr geben würde, würde der Mensch etwas anderes erfinden. Wesentlich bleibt, dass kein Ding abstrakt für sich steht, sondern Teil des sozialen und politischen Lebens ist und in seiner Bedeutung auf unser Selbstverständnis und unsere soziale Organisation zurückwirkt. Die „wahre Natur“ der Dinge bleibt uns verborgen, sie ist ein Resultat der Perspektive.

Konstruktivistische Theorien sehen Umwelt und Mensch sich gegenseitig bedingend und auf verschiedenen Ebenen beeinflussend. Georg Simmel sprach Anfang des 20. Jahrhunderts davon, dass man weder die Menschen, noch die Gesellschaft als solche beobachten kann, sondern immer nur Teile, die sich relational mit ihrer Bestimmung verändern und in Bezug auf etwas Absolutes gesetzt werden müssen, das selbst wieder veränderlich ist und damit zwangsläufig Widersprüchlichkeit in Kauf nehmen muss. Der Mensch kann nicht rein kausal-logisch beschrieben werden; seine polykontexturale Art zu denken, zieht die Notwendigkeit einer immer feineren Strukturierung der Umschreibungen der Welt nach sich. In der Masse der Informationen ist die Art der Selektion und die Weiterverarbeitung der aktuellen Daten entscheidend. Simmel sprach von drei soziologischen Apriori: Nach dem ersten Apriori sehen wir den anderen jeweils nur stets in irgendeinem Maße verallgemeinert. Zweitens ist jedes Element einer Gruppe nicht nur Gesellschaftsteil, sondern noch etwas Drittes. Schließlich hat jeder die Möglichkeit, verschiedenen Gesellschaften zuzugehören.[13] Daraus folgt, dass wir niemals wissen können, was geschieht, ohne dass sich in uns in diesem Moment der Erkenntnis eine Änderung vollzieht, die wiederum die soziale Realität verändert.[14] Indem Sie dies lesen, ändern sich die Voraussetzungen für unsere gemeinsame Wahrnehmung. Diese soziale Realität besteht vordergründig aus logisch-rationalen Notwendigkeiten, hintergründig aber bringt die Konstituierung durch Technik die Frage nach Schöpfung und Ursprung hervor.

Schöpfungsmythen und ihre technisch-filigranen Umschreibungen zeigen nach Durkheim, Cassirer u. a. in vielen Kulturen eine Vorform der Rationalisierung angesichts des Umfang des Begrenztheit der menschlichen Erkenntnisvermögens dar. Sie stellen oft einen Verlauf dar, der aus einer fiktiven “ursprünglichen, archaischen Ordnung“ heraustritt und in die Welt der koordinierten Vorgänge, des Objektbezugs, der Technik und der damit verbundenen sprachlichen Konstruktionen eintritt. Prometheus brachte beispielsweise den Menschen das Feuer, nachdem die Götte neidisch auf seine Schöpfung geworden waren und die Menschen zwangen, sie anzubeten, damit sie von der Gnade der Götter unabhängig wären.  Der Mythos selbst liegt in dem Spannungsfeld zwischen der formalen Struktur (Verhältnis von Göttern und Menschen) und der konstruierten paradoxen Kausalbeziehung (Götter zwingen Menschen zur Anbetung, Feuer der Unabhängigkeit kommt von einem Gott). Sie macht eine unendliche Variation des Themas in all seinen möglichen Facetten und Storys möglich, die eine anschließende Antwort, ob das Feuer nun gut oder schlecht sei, offen lässt.

Durch den Mythos entsteht etwas außerhalb des kausalen Zeitablaufes, eine Darstellungsform der Wirklichkeit, die sich nicht in die Konstruktionsschemen von Vergangenheit und Zukunft einordnen muss und trotzdem wirklichkeitsbildend ist. Jeder technische Fortschritt, der Erfolg einer Aufklärung, Installationen einer neuen Gesellschaftsordnung ? all diese Prozesse werden von der Irrationalität und den Mythen der jeweiligen Etablierten begleitet (derselben „Götter“, die die Astrologie auch berät, da sie sich ihre komplizierten Dienste leisten kann). Ihr Chaos erscheint wieder in den mythischen Erzählungen, in deren Vorkonstruktionen die Handelnden und Handlungsstränge der „schwarzen Schafe“ eingesetzt werden und deren Geschichte immer auch ganz anderes erzählt werden kann. Betonung von Rationalität ist nach Horkheimer/Adorno keine Qualität einer „überlegenen Kultur“, sondern zunächst eine Notwendigkeit menschlicher Ausdrucksweise in Ermanglung von Mitgefühl und Verbundenheit. Die technische orientierte Theorie der „geistigen Evolution der Menschheit“ und zunehmenden Aufklärung aus einem „unbewussten und wilden Stadium“ ist für sie selbst ein Mythos.

Der Mythos diente den nicht schreibenden Kulturen genauso zur Darstellung der Verlaufsformen der Schwierigkeiten der eigenen Kulturwerdung und ihren versteckten Mechanismen, wie er heute in projizierter Weise in den Massenmedien millionenfach repetiert wird. Insofern war der Mythos schon immer ein politischer. Ein Mythos ist eine Geschichte, die einen von ihr abgelösten Hintergrund beschreibt. Jede erzählte Geschichte kann prinzipiell zu einem Mythos werden, ja der Mythos ist nach Ernst Cassirer das Maß der Veränderung, indem er anzeigt, welche Version der Geschichte sich durchzusetzen beginnt. Der Mythos ist paradoxerweise gleichzeitig schon Tradition, indem er die Geschichte verändert hat. Der Bruch der Tradition wird vom System allerdings nicht gleich erkannt, das System selbst ist ja in gewisser Weise der Spiegel der Tradition.[15] Deshalb spricht man davon, dass sich „Mythen bilden“, obwohl sie immer schon da waren. Wer sich darauf einlässt, diese (bisher ungesehenen) Veränderungen zu beschreiben, muss damit rechnen, als „Regelbrecher“ oder „Hinterwäldler“ betrachtet zu werden. Das System braucht sein schwarzes Schaf, das die bereits erfolgten Veränderungen sichtbar werden lässt und damit die inneren Veränderungs-Prozesse des Systems anstößt. Mythen vermeiden die logische Operationalisierbarkeit, weil sie sich sonst nicht dem Sog des unsichtbaren Verlaufs der „offiziellen Geschichte“ entziehen können.

Mythen und Metaphern des Alltags erscheinen in immer wieder variierter Form, um das Schwarz/Weiß – Denken der fortgeschrittenen Institutionalisierung und die Verkrustung der Strukturen aufzuweichen und die Geschichte lebendig zu halten. Astrologie ist ein System zur strukturellen Ordnung der Mythen, was in ein Paradoxon führt, da die Mythen sich jeder Form zu entziehen bestrebt sind. Durch diesen Effekt landet man zwangsläufig in der Aktualität des „anderen Anfangs“, wie es Lyotard und Riceour nach Heidegger formulierten. Es geht um den Fortlauf der „Story“ von immer anderen Ausgangspunkten, die grundsätzliche Bewahrung eines alternativen Handlungsstrangs, um die Totalität des systemischen Denkens aufzuheben und automatisierte Scheinhandlungen in ihrer Irrationalität aufzuzeigen. Dazu bedarf es eines systematischen Überbaus, der die Bilder der Mythen sortieren hilft, einer „Konstruktion der Konstruktion“, die immer wieder hinter die Bilder gehen lässt wie die Astrologie eine ist. Ernst Cassirer, der eine philosophische Anthropologie symbolischer Formen entwickelte, sagte von der Astrologie „sie sei rein formal betrachtet, einer der großartigsten Versuche systematisch-konstruktiver Weltbetrachtung, die je vom menschlichen Geiste gewagt wurde“.[16]

Mythen haben allgemein einen schlechten Ruf in der postmodernen Gesellschaft. Aber: Das Sprechen in Bildern, Metaphern und Parabeln ist heute wie früher ein Mittel, um Kritik zum Ausdruck zu bringen. Horkheimer/Adorno kritisieren z. B. in ihrer „Dialektik der Aufklärung“ die schwierige Hinterfragbarkeit des technologisch-wissenschaftlichen Weltbildes und ihre Verdammung des Mythos ohne zu bedenken, dass eben in dieser Verdrängung eine der grundlegenden Voraussetzungen des eigenen Denkens liegt. Wo Vernunft als Zweck an sich gefordert wird, ist Kritik an derselben nicht mehr möglich. Wissenschaft wird zum Dogma, Intellektualismus zur „Krankheit der Moderne“. Einer der  großen Mythen der Neuzeit ? die Psychoanalyse – linderte die Auswirkungen des Faschismus, der „Gesundheits-Technokratie“ und Medienberieselung, wurde aber selbst zum Religionsersatz und Zweck der „Gesundheitsindustrie“.

Heute stehen wir vor den Auflösungserscheinungen der „Weltordnung“, die sich unbemerkt unter das Handeln der Menschheit als System im Ganzen geschoben hat. Während der Alltag zunehmend durchstrukturiert ist, verlieren immer mehr Menschen den Sinn zu dem Geschehen, leben in Parallelwelten und Übergangslösungen. Der Einzelne ist kaum mehr als ein Erfüllungsgehilfe im Räderwerk von technokratischen Ideologien, unüberprüfbarer „wissenschaftlichen“ Prophezeiungen und durchorganisiertem Arbeitsalltag, in dem die „Freiheit zum Mythos“ den Herrschern genauso verdächtig ist, wie eh und je. Nanotechnologie, Leuchtdioden in jedem Bedienungsgerät, Wahlcomputer ? die Sicherung der technokratischen Vorherrschaft ist immer auch ein Selbstzweck, der Gewinn für den Menschen sekundär. Der Preis jedes Fortschritts ist der Verlust von Übersicht. Die Bürokratie, die dem Menschen das Zusammenleben erleichtern und Ungerechtigkeiten auflösen soll, ist zum Gesetz selbst geworden, das nur noch die wenigsten in seiner Ganzheit überschauen können. Umso mehr gewinnen die inneren Freiräume an Bedeutung, das Ausagieren in künstlichen Räumen, in virtuellen Welten und in spirituellen Weltbildern – im positiven, wie im negativen Sinn. Und so werden neue Mythen entstehen, die verhüllt zu beschreiben versuchen, was in der Gesellschaft offiziell nicht sagbar ist.

Metaphern und Perspektiven

Mythen und Ratio bedingen sich gegenseitig. Der Mythos bringt die Frage nach dem dahinterliegenden Mechanismus automatisch hervor; die Logik braucht wiederum ein Bild, an dem sie Vorstellung werden kann. Dieses Bild und der dahinterstehende, scheinbar zeitlose Mythos sind immer auch zu dekonstruieren. Sie sind keine „Wahrheit“, genauso wenig wie Logik „die Wahrheit“ enthält. Die Wahrheit entsteht aus dem Diskurs über das den Begriff, das Bild und den Mechanismus. Ein Beispiel: Wenn wir sagen: „Die Sonne geht auf“, dann meinen wir die Logik, nach der sich die Erde um die Sonne dreht (obwohl wir es anders sagen). Die mythische Beschreibung: „Helios zieht jeden Morgen seinen Sonnenwagen über den Horizont“ drückt eine andere Bedeutungsebene desselben Mechanismus aus. Egal wie, wir brauchen ein Bild und einen Begriff von der Sache, um den Text und die Beschreibung zu verstehen. Wer den richtigen Sachverhalt kennt (die Sonne geht weder auf, noch zieht Helios einen Sonnenwagen, sondern die Erde dreht sich um die Sonne), den stört die Metapher auch nicht. Die Logik sagt uns, dass die Sonne jeden Morgen aufgeht, weil sie das schon immer getan hat, egal wie sehr wir den Sachverhalt umschreiben und „mystifizieren“. Das Problem entsteht erst, wenn die innewohnende Logik strittig ist, wenn etwa die Kirche festlegt, dass die Sonne um die Erde kreist. Ein Beispiel, wie man mit der Schaffung von Mythen Macht ausüben kann.

Lebendige Sprache besteht aus kraftvollen Metaphern, aus in sich verwundenen Fabeln und mysteriösen Anspielungen und damit aus Paradoxa, die sich für den auflösen, der hinter das Bild und den Begriff schauen und die Absichten und Motive erforschen kann. Über das Sagbare brauchen wir ja auch nur bedingt zu sprechen. Der Mythos steht jeweils außerhalb von Zeit und Raum. Er verschreibt in paradoxer Intervention die Ewigkeit einer immer geltenden „universellen Wahrheit“ (die immer auch eine politische und gesellschaftskritische ist) und bedingt eine „objektive“ Theorie, die unabhängige Beobachtung und Beschreibung möglich macht. Die aristotelische Ontologie und Seinsphilosophie, die 2000 Jahre bis Kant das europäische Denken geprägt hat, war nicht in der Lage, den Wahrheitsanspruch des eigenen Systems zu reflektieren und die in diesem liegenden Mythen und Scheinprobleme (Gottesbeweise, Leib/Seele-Dualismus etc.) zu hinterfragen. Das brauchte es auch nicht, da die Wissenschaft im Alltagsleben keine Rolle spielte. Mit der Aufklärung und Industrialisierung sprang der Fokus auf Wissenschafts- und Erkenntnistheorien. Sie nimmt heute den breitesten Raum innerhalb des Diskurses ein, weil unsere Welt primär eine technische und rationale geblieben ist. Ihre Mythen sind noch schwerer  hinterfragbar, als die der Kirche in der Zeit davor.

Auch deshalb entsteht als Gegengewicht zur Postmoderne wohl eine irreale Welt der Süchte, Räusche, Computerspiele und anderer Ersatzwelten, in denen die ursprünglichen Mythen noch funktionieren. „Richtige“ Männer sind dort noch richtige Männer, Drachen speien noch Feuer und das Gute ist Teil des ewigen Erkenntnisprozesses im „Spiel des Lebens“. Eine Flucht aus dem zermalmenden und anstrengenden Alltag gibt es aber nur für Geld. Dies zwingt, der „Realität“ dann doch ins Auge zu schauen. Folgende Definitionen vom Mythos gibt es: […Der moderne Intellekt hat die Mythen interpretiert als einen primitiv-täppischen Versuch der Naturerklärung (Frazer); als Produkt der poetischen Phantasie prähistorischer Zeitalter, verzerrt von den folgenden (Müller); als Arsenal allegorischer Unterweisungen, die das Individuum gefügig machen sollen (Durkheim); als Gruppentraum, in dem die Tiefenschicht der Menschenseele ihre archetypischen Impulse ausdrückt (Jung); als das überlieferte Medium metaphysischer Einsicht (Coomaraswamy) und schließlich als Offenbarung Gottes an seine Kinder (die Kirche). In Wahrheit sind die Mythen das alles, nur zeigen sie jedem Interpreten, je nach dessen Standort, ein anderes Gesicht. Denn den Anliegen und Bedürfnissen der Individuen, Rassen und Zeitalter kommen sie so aufgeschlossen entgegen wie das Leben selbst, wenn die Frage nicht auf ihr Wesen, sondern auf ihre Funktion dringt, darauf, wie sie in der Vergangenheit der Menschheit gedient haben und wie sie es heute könnten….][17]

Alle vier Ebenen der Beschreibung, Logik, Begriff, Bild (Mythos) und Sachverhalt (Bedeutung) gehören zusammen und bedingen einander. Jede Angelegenheit hat gewissermaßen vier Perspektiven, aus denen sie darstellbar ist. Ein Smartphone kann man auf der rein mechanischen Ebene beschreiben, man kann es auf der begrifflichen Ebene abgrenzen durch das was es nicht ist (iPod, Laptop, Handy etc..), man kann es als Kommunikationsmedium beschreiben zur Bewältigung von Alltagsaufgaben, und man kann es schließlich auch mystifizieren als ultimatives Vernetzungswerkzeug, dass den Menschen zu einem kommunikativen Übermenschen macht (Werbung + Kritik). Das eine bedingt das andere. Die Gebrauchsdinge im Leben brauchen Texte, Mythen und Bilder, um die inne liegende Logik des Geschehens beschreiben zu können; dies ist immer auch ein sozialer und politischer Prozess, da der, der die Macht über die Bilder hat, auch das Geschehen bestimmen kann. Matrix, Herr der Ringe, Konan, Metropolis, Avatar usw. bilden unsere Realität auf inszenierte Weise ab, die „realer ist als die Realität“. Das Bild der ölverklebten Taube im Golfkrieg war ebenso Propaganda wie die Zurschaustellung griechischer Yachten, als es um die Abwertung ihrer Kreditwürdigkeit ging. Werbung und Propaganda durchmischen sich, Vernunft und Mythos sind nicht voneinander trennbar. Die westliche Lebensweise zeichnet sich weniger durch rationale Lebensbeherrschung aus, als durch den Versuch, den Machtanspruch zu verteidigen, der mit der überlegenen Technik einhergeht. Wobei der Begriff „westliche Lebensweise“ natürlich auch wieder einen Mythos beherbergt, weil jeder Einzelne anders lebt.

Ein Plakat an der Straße von 2011 zeigt eine Hausfrau, der in den Mund gelegt wird: „Es ist das Wichtigste im Leben, gebraucht zu werden“. Was ist passiert, dass betont werden muss, dass eine Hausfrau gebraucht wird? Es sind Mythen, die den Bildern erst ihre Bedeutung geben. Ihr Mechanismus hängt gleichermaßen vom logischen Verstehen als auch der Kenntnis der metaphorischen Aussage ab. Man kann den Mythos dahinter nur verstehen, wenn man in der Lage ist, die Abgründe der dazugehörigen Gesellschaftsordnung zu durchschauen, die Abwertung der patriarchalischen Herrschaft, die Selbsterniedrigung der Frau, die Pseudomoral der Kirche und das Selbstzerreden der Sozialwissenschaften. Täglich flimmern die größten Mythen über den Bildschirm, der amerikanische „Freiheits-Krieg“, (der nur eine Verlängerung des Kolonialismus ist), die „Steuerungsmechanismen der Börsen“, (die in Wahrheit reines Glücksspiel sind), die „Errungenschaften der Wissenschaft“, (die meist bezahlte Einspielungen von Interessengruppen sind) usw. usf. Es sind alles Mythen, die darauf hoffen, entdeckt und „aufgeklärt“ zu werden, damit der Mensch an Einsicht und Kampf wächst. Wo Wahrheiten verschleiert werden, entstehen Mythen, um deren „Interpretationshoheit“ gerungen wird. Doch diese Idee der Entschleierung selbst ist wieder ein Mythos, denn ein Mythos zeigt die Wahrheit selbst nur verschleiert. Dieses Paradoxon ist nur über ein authentisches und „einfaches“ Leben und ein Verstehen der Prozesse, die einen selbst betreffen, auflösbar.

Wir  sind Teil des Mythos ohne uns dessen meist bewusst zu sein (oder glauben wir, dass die auf dem Smartphone abgebildeten Symbole die „Realität“ sind?). Die Einehe ist ein Mythos wie der Glaube an die Kopfschmerztablette. Bzw. die Einehe ist ein Sakrament eines der  stärksten Kommunikationssysteme, der Kirche, die ihre eigenen Mythen wie kein anderes System pflegt.[18] Gesellschaft funktioniert über Mythen und eingängige Bilder, wenn viele Menschen bereit sind, den Bildern einen universellen Wirklichkeitsgehalt zuzugestehen, ohne die Mechanismen zu hinterfragen. Ein Hinterfragen ist oft gar nicht wünschenswert, weil mit der Auflösung des Mythos auch die gesamte Geschichtsschreibung geändert werden müsste. Das Bild dient der Merkhilfe, im alten Griechenland wurden die Tempel auf eine bestimmte Weise mit Symbolen ausgestattet, die es den Rednern und Dichtern erlaubte, lange Textstellen durch bildhaftes Merken abzurufen.[19] Die Technik ist immer auch eine Gedächtnishilfe. Wer nicht die immer neuen Bedeutungen mit ihren Änderungen abruft, der kann seine Welt auch nicht mehr darstellen. Das Smartphone erfüllt beispielsweise die Sehnsucht des Menschen nach einem ultimativen Kommunikationsgerät, mit dem alle Aufgaben in einem zu erledigen sind und in dem die Symbole universell überall einheitlich anwendbar sind zur Vereinfachung des Gebrauchs. Der Mythos der „Universal-Bedienung“ ist aber auch dann noch nicht Realität geworden, wenn jeder ein Smartphone besitzt, da es zehn neue Geräte braucht, um das Smartphone zum funktionieren zu bringen. Zudem würde dieses Gerät, wenn es denn tatsächlich flächendeckend eingesetzt wird, dass ohne ein solches Gerät ein individuelles Menschsein nicht mehr möglich sein würde. Buch und Film „Fahrenheit 451“ schildern eindrucksvoll die Folgen der totalen Technologisierung des Wissens und den Verlust der Nähe von Natur und menschlicher Nähe.

Mythos  und (Wissens)- Gemeinschaft

Jedes System schafft seinen eigenen Mythos und nur, indem wir uns als Menschen und nicht als Teil eines Systems definieren, können wir uns der Manipulation der Bilder entziehen, egal ob als „indigene Völker“ (denen gerne eine „mythologische Verhaftung“ angedichtet wird, was bedeutet, dass sie geistig sind minderbemittelt sind) oder als „Hochkultur“. Soziale Ordnung enthält immer totalitäre Anteile, indem sie Verhaltensnormen steuert und auf einseitige Weise beschreibt. Diese Normen können genauso wie die Bilder nur im direkten Diskurs, in der authentischen Begegnung mit dem anderen Menschen aufgelöst werden. Goffman[20] sprach deshalb davon, Rahmen zu setzen, innerhalb deren die Aussage von Bedeutung ist. Diese Rahmen der Debatte bestimmen über unseren Ausschnitt der Wirklichkeits-Wahrnehmung und werden wieder und wieder eingeübt. Wir spielen eine Rolle, geben ein Bild ab, weil wir wissen, dass wir beobachtet werden und diese gegenseitige Wahrnehmung wiederum konstituiert den Rahmen. Der Sinn des Geschehens entwickelt sich nicht allein aus der „Vernunft des Kontexts“, sondern auch aus den subjektiven Grenzen und Kategorien, die wir in unserer Betrachtung setzen. Um soziales Verhalten von Menschen zu beschreiben, brauchen wir also ein Set von Bildern, Kommunikations-Systemen und Kategorien, innerhalb derer wir operieren und uns selbst beschreiben können. Astrologie mit ihrem Set aus 12 Kategorien und einer komplexen Ordnung, die auf einfache Grundbausteine zurückgeführt werden, erfüllt sehr gut die Anforderungen an diesen Rahmen. Doch das Hantieren mit Bildern, die in Menschen etwas auslösen, hat Fallen.

Der Mythos zieht unweigerlich esoterische Beweggründe auf sich. Er verliert in ihr seine Unschuld des konstitutiv-konspirativen Bildes und erhebt sich zu einer „Gegenwahrheit“, ohne wirklich zu wissen. Linke, wie rechte Extremisten, Sekten, Logen, usw. benutzen die Bilder, um ihre Macht zu begründen, einfache und eingängige Parolen, die an instinktive Ängste appellieren, nicht selten in Einklang mit Okkultismus, Magie und Hypnose. Wie in den eleatischen Mysterien, in denen ein unbedingter Glaube an die Wirkung der magischen und gemeinschaftsbildenden Kräfte gefordert wurde (und ein Ausbleiben der Wirkung mit dem fehlenden Glauben erklärt wurde), so wird in den Kursen kommerzieller Lebenshilfegruppen die äußere Welt als unwirklicher Schatten unser Selbst erklärt und das Befolgen der Prozeduren zum eigentlichen Kern der Selbstbefreiung erhoben.

Harmloser erscheinen die „Bestellungen an das Universum“, „individuelle Mantras“ und das „positiven Denken“, weil es das „individuelle Umsetzen“ propagiert. Doch es gibt innerhalb der Esoterik kein Individuum im Sinne von Aufklärung und Humanismus, da genau dieses Individuum als (männlich-chauvinistisches) Ego abgelehnt wird. Der Anspruch der Astrologie sollte sein, alle Denk-Systeme beschreiben zu können, nicht nur esoterische, sondern auch philosophische, religiöse, wissenschaftliche, politische, usw. Die derzeitige Zuordnung zu einer „psychologischen Astrologie“, die in Wirklichkeit eine esoterische ist und keinen Bezug zu einer wissenschaftlichen Psychologie hat, ist nicht befriedigend. Daran ist aber die Astrologie nicht allein schuld.

Wenn Astrologie nicht fundierte, wissenschaftlich interpretierbare Ergebnisse liefern und sich innerhalb der gängigen Kommunikationsformen verständigen kann, wird sie eine Randerscheinung der Esoterik bleiben. Ein Ausschnitt aus Wikipedia  (2011) soll zeigen, wo das Problem liegt: […Am Rande seiner Untersuchung des Mythos, gleichsam in einer Fußnote, formuliert Barthes seine ethischen Perspektiven auf den Mythos. Danach ist „das Störende im Mythos gerade, dass seine Form motiviert ist.“ Gäbe es so etwas wie eine „Gesundheit“ der Sprache, begründe sich diese „durch die Willkürlichkeit des Zeichens“. Jeder Mythos jedoch besitzt eine motivierende Form, Sinn wird in Form verwandelt, deformiert, seiner Geschichte beraubt: „Das Widerwärtige im Mythos ist seine Zuflucht zu einer falschen Natur, ist der Luxus der bedeutungsvollen Formen, wie bei jenen Objekten, die ihre Nützlichkeit durch einen natürlichen äußeren Schein dekorieren. Der Wille, die Bedeutung durch die ganze Bürgschaft der Natur schwer zu machen, ruft eine Art von Ekel hervor: der Mythos ist zu rein, und gerade seine Motivierung ist zu viel an ihm.“ Für diese Abneigung, die der Mythos für Barthes erzeugt, bringt er eine Entsprechung aus dem Bereich der Kunst, die zwischen Natur und der Anti-Natur changiert: „Diese Angewidertheit ist dieselbe, die ich angesichts von Künsten empfinde, die nicht zwischen der Natur und der Anti-Natur wählen wollen und die erste als Ideal und die zweite als Ersparnis benutzen. Ethisch gesehen zeugt es von Niedrigkeit, gleichzeitig in beiden Bereichen spielen zu wollen“…]. Das Problem ist: Jede Erklärung braucht ein Bild, jede Methode ihren Metaphern, jede Technik ihren Mythos. Ihn zu verdammen beseitigt ihn nicht.

Esoterik und kritisches Denken scheinen nicht in Synthese zu bringen zu sein. Eine „individuelle Esoterik“ ist ein Widerspruch in sich, Spiritualität nicht erhältlich, wo die Bereitschaft zu authentischer Gemeinschaft fehlt. [… die soziale Funktion einer Mythologie sorgt … nicht dafür, dass der Geist sich öffnet, sondern bewirkt eine Abkapselung, damit die lokale Bevölkerung dadurch gegenseitigen Rückhalt findet und zusammengebunden wird…][21]. Wo der gemeinschaftsbildende Effekt verloren geht, bleibt eine einsame Wüste aus Verschwörungstheorien, Abspaltung von der Wirklichkeit und Verlust von Identität. Und doch haben es Mystiker über alle Jahrtausende geschafft, Denken und Fühlen zu vereinen. Denn kritisches Denken führt nicht per se in die Individualität. Sie kann auch Ausgrenzung bedeuten, wenn sie starrsinnig wird. Das Entscheidende am Mythos ist nicht sein Ursprung, sondern die Kraft seiner Vision innerhalb der Gruppe, die an ihn glaubt und sein gesellschaftskritischer Anteil.

Für eine objektive und kritische Astrologie braucht es eine Einbindung der Mythen und Weisheitslehren in die Gesellschaft.  Noch sind die Sozialwissenschaften im Gepräge der Naturwissenschaften feindlich gegenüber einer Vergangenheit, die keinen Nutzen für sie hat. Das Kritische kann nur dann integrierbar sein, wenn es tatsächlich auch etwas ändert. Es ist allerdings ein Revival der spirituellen Wissenschaften wie Astrologie, Geomantie, Naturheilkunde und Alchemie zu vermuten, da der Mensch sich selbst das interessanteste Forschungsgebiet ist und weil die streng physikalischen Wissenschaften teuer und ausgereizt erscheinen. Das Alte erscheint in neuem Gewand kosmologisch immer wieder als ultramodern. Der Gegensatz aus „ehrlicher“ Naturwissenschaft und „anrüchiger“ Sozialwissenschaft ist auflösbar, wenn die Begriffe System und Gesellschaft (bzw. Gemeinschaft) eine Einheit bilden. Davon erzählt jeder Mythos, der zwischen der technisch überlegenen Obrigkeit und den Mythen des Volkes vermitteln will und die Machtverhältnisse und Ansprüche auf Wahrheit umkehrt.

Davon erzählt auch die Astrologie als „Dienerin des Systems“, die die Mythen des Volks vervielfältigt, um sie den Mächtigen portionsweise zugänglich zu machen. Heute nennt sie sich „psychologische Astrologie“, um esoterische Weisheiten an emanzipierte Managergattinnen zu verkaufen. Früher war sie Teil der mittelalterlichen Künste zwischen Dialektik, Alchemie und Baukunst, dann Werkzeug der Klerik, die sich ihrer universellen Weisheiten für die Kirchenproaganda bediente. Morgen wird sie vielleicht ein Brainpool und Steinbruch für anthropologisch Suchende sein, die in den verschiedensten Kulturen eine archaische Grundstruktur verorten wollen. Oder Vorbild einer universellen Grammatik. Astrologie war niemals getrennt von der Wissenschaft, von der Technik, vom Mythos. Im Prinzip durchläuft sie die von ihr selbst postulierte „Selbstbefremdung“ der gesellschaftlichen Systeme in immer neuer Form, dem Mythos der  herrschenden Technologie jeweils um eine Nasenlänge voraus.

Der Glaube an das individuell Machbare ist zentral für die Sinnstiftung der Moderne und ihres Massenkonsums, ohne dass allerdings bewusst wird, dass dieses „In-Di-Viduum“ in seinem Wortlaut schon als Teil der Gemeinschaft definiert ist. Das Konzept des Individuums trat in der Hochzeit der griechischen Mythen auf, die vielfältige Rezeption des Mythos in persönlicher Darstellung war die Basis einer weit differenzierten Gesellschaftskritik.  Göttergestalten  spiegelten immer auch reale Menschen. Nur wer die Mythen kannte, konnte die Kritik am Fortschritt in ihnen erkennen, ohne sich selbst als Autor und Handelnder persönlich outen zu müssen. Die heutige Betonung der Individualität ist dem Umstand geschuldet, dass wir einen schnellen Zugriff auf die kritische Rezeption der Neuzeit haben und unsere Mythen quasi in Echtzeit formen können.

Als Teilnehmer unterschiedlicher Systembildungsprozesse (Familie, Schule, Peargroup, geistige Gruppen, Netzwerke, Vereine) erkennt sich das Ich in Anlehnung an Figuren des Mythos als Teil des Systems. Das ICH braucht immer einen Bezug im Außen, im Du, um sich von ihm zu unterscheiden in ICH und Nicht-Ich. Damit wird aber auch das Ich als Teil des Systems negiert, dass es selbst zu seiner Beschreibung benötigt. Es wird zu einem In-di-vi-duum, einem unteilbaren (doppelten) Ganzen, das sowohl eins mit sich selbst ist, als auch unterschiedlich von der Welt. Es ist dann in der Lage, seinen doppelten Anteil zu erkennen und den jeweiligen Mythos, auf den es baut, systematisch zu dekonstruieren.

Das ICH bleibt die Grenze zwischen der erzählten Welt und meinem eigenen Selbstbild, eine Grenze, die ICH bewusst ziehe. William James beschrieb den Unterschied des Selbst in den „Principles“ mit seiner Unterteilung von „Ich“ (engl. „I“ das heißt der eigene Bewusstseinsstrom) und dem „Selbst“ (engl. „Me“ das heißt die reflektivierbare Identität). Das Ich steht immer in Beziehung zu dem, was mir passiert. Ich liebe mich, ich sehe mich, ich kenne mich sind sinnvolle Sätze, nur „Ich denke mich“ ist ein Widerspruch. Streng genommen ist der cartesische Imperativ: „Ich denke, also bin ich“ also falsch, denn wann immer ich denke, bin ich nicht mehr, sondern meine Reflexion. Esoterische Weisheitslehren setzen hier an und geben heilsame Alternativen zur Fixierung auf die Ratio. Sie wirken gemeinschaftsbildend, wo reines Nutzdenken Menschen als Sklaven verschleißt und in die Totalität der Maschinerie zwängt. Gleichzeitig fehlen ihnen aber Antworten auf gesellschaftliche Fragen, da die Lösungen nur außerhalb gefunden werden.

In den Mythen selbst taucht das Problem vom Rationalisierung und Mythenbildung immer wieder als Motiv auf. Die Anbindung an einen Urzustand erscheint heilsbringend, in den Religionen sind die Rituale vorwiegend auf die Communio, das Zusammensein im Zeichen aktuellen Bilder und Wirkkräfte ausgerichtet und helfen dann auch tatsächlich (wie ein Placebo allein durch den Glauben an seine Wirkung hilft). Für die Wissenschaft ist die Annahme eines ontologischen Ausgangspunkt unerlässlich, um eine Theorie in der Praxis zu begründen. Es gilt, unter den vielen Möglichkeiten der Reproduktion eines Naturphänomens diejenige auszuwählen, die am konkretesten fortführbar ist und durch die meisten Versuche der Falsifikation auf ihre Praxis hin getestete ist (Popper). Um den Anschluss an die gemeinschaftliche Ursprungstheorie zu schaffen muss der Mensch einen Prozess der Selbstüberwindung durchlaufen, denn neue Theorien der Wissenschaft sind immer auch Ereignisse, die das Zusammenleben verändern. So kämpft der Held auch heute noch gegen veraltete Vorurteile, mystische Kräfte, dunkle Machenschaften und besiegt sie mittels seines überlegenen Verstandes. Gleichzeitig aber geht er im Mythos auf und wird selber Teil der Sachzwänge.

Schon Sysiphos und Ödipus werden unweigerlich von den Motiven ihrer Handlung eingeholt und gezwungen wieder und wieder von vorne anzufangen. Ödipus erfüllt die Prophezeiung des antiken Orakels gerade dadurch, dass er ihr zu entfliehen versucht. Die Bilder der Vergangenheit können uns jederzeit einholen, egal wie vernünftig wir das Leben zu meistern versuchen. Schon die Odyssee war eine Zusammenfassung viel älterer Abenteurerepen, deren Handlungsstrang auf die veränderte Situation von Familie, männlicher Herrschaft und trauriger Vater/Sohn-Beziehung zielt. Die eigentliche Geschichte der Odyssee beginnt an ihrem Ende, als Odysseus nach 10 Jahren erschöpft nach Hause kommt und seinem Sohn Telemachos Rechenschaft ablegen muss über sein langes Wegbleiben. Der Kern der Odyssee besteht im Aufzeigen des Verlustes der Beziehung zwischen der Gemeinschaft von Sohn und Vater, ein Fluch, der den modernen Menschen begleitet, seit die Berufe der Väter weitab von ihren Söhnen stattfinden (siehe Artikel Väter und Söhne). Die Lösungen dafür müssen in gemäß des Paradigmas des Wassermannzeitalters in jeder Gemeinde, jeder geistig ähnlich gesinnten Gruppe einzeln erarbeitet und aufgearbeitet werden, nachdem sie im Fischezeitalter durch Religion gelindert und im Widderzeitalter als Heldenmythen getragen wurde. Oder besser gesagt, dem Mythos des Widder- Wassermann- und Fischezeitalters, denn eine astronomische Bestimmung gestaltet sich sehr schwierig.

Struktur der Mythen

Einen Mythos kann man nicht „erfinden“. Er ergibt sich spontan aus dem Ausbleiben der gewohnten Kausalbezüge, der veränderten Situation und der Notwendigkeit, an Stelle der gewohnten Sachbezüge ein Ausrufezeichen zu setzen, das die Lücke sichtbar macht! Ein grundlegendes Verständnis des Missstands ist notwendig, um das Bild zu verstehen, wie die Hilfe durch die Propagierung der Geschichte angeleitet wird. Ob die Revolutionen in der arabischen Welt vom Westen gesteuert sind oder Russland von „ausländischen Mächten“ beeinflusst wird, ist eine Frage von Innenansicht und Außenansicht. Es gibt keine „guten“ und „schlechten“ Mythen, keine „wahren“ und „falschen“ Geschichten, keine „exakte“ und „schlampige“ Überlieferung, sondern nur Nuancen von Darstellungen, die mehr oder weniger den Kern treffen.

Die Kunst der Erzählung war und ist in schreibenden wie in nicht-schreibenden Kulturen gleichermaßen der höchstmögliche Ausdruck von Kultur. Erlebte Ereignisse sind der Grundstoff erzählter, narrativer Wirklichkeit, die dann immer eine weit vielschichtigere ist als der rein rationale Aufbau der Geschichte. In den Variationen der Mythen entsteht das Individuum. In ihrer neuen Publikation Gedicht und Gehirn[22] arbeiteten Schrott und Jakobs heraus, dass das Denken in individuellen Kategorien mit der Schriftsprache entstand. Geschriebene Sprache verändert den Blick auf uns selbst, sie gibt die Möglichkeit der Reflexion während des Schreibens. Rein mündlich orientierte Kulturen brauchten kein Konzept des Individuums, weil der Mensch in den vertrauten Mythen eingebettet war. Der Sinn der stark metaphorischen Sprache ergab sich aus dem wieder und wieder erzählten Stoff.

Ein Volk hatte im Altertum ca. 10 – 20.000 Verse, in denen es seine Geschichte in klanghaften, rhythmisch mitreißenden Epen beschrieb. In diesen Vorbildern variierten die Dichter frei, ein Auswendigkönnen des Stoffes vorausgesetzt. Ein künstliches Individuum war nicht notwendig, da der Sänger/Sprecher sich sichtbar und hörbar in Abweichung des bekannten Stoffes abhob.  Doch der Mythos bleibt natürlich auch im Alltag von Kulturen mit Schriftsprache aktuell. Die bekanntesten Mythen entstanden an der Schnittstelle von Mittelalter und Moderne noch vor der Erfindung des Buchdrucks. Die Helden aus Parzival und  Dantes Göttlicher Komödie über Thomas Morus Utopia und Cervantes Don Quichote sind Vorbilder unendlich oft kolportierte Beschreibungen von Don Juans, Vampiren, Dandys und Lebenskünstlern aus den neuzeitlichen Romanstoffen, in denen der Individualismus selbst zum Stoff der Erzählung wird und der Einzelne sich wiederfindet in dem uneinlösbaren Anspruch der Aufklärung, zugleich Individualist und guter Staatsbürger zu sein. Das Interesse heutiger Schüler ist vor allem auf Dystopien gerichtet, die den totalitären Aspekt der Gesellschaft aufzeigt. Die Bilder, mit denen ich in der Schule aufgewachsen bin, sind die Physiker von Dürrenmatt, Winston Smith in 1984 und Lenina Braun in „Schöne neuer Welt“.   

Mythen haben Vorbilder in ihrer Entstehung. Vladimir Propp hat etwa in seinem Klassiker „Morphologie des  Märchens“ Vorstellungen herausgearbeitet, wie ein einmal begonnener Erzählstrang durch den gesetzten Anfang den weiteren Verlauf vorherbestimmt. Er zählte insgesamt 31 Handlungsmotive in russischen Zaubermärchen auf. Wir lernen von klein auf die möglichen Ausgänge bestimmter Handlungsstränge, vom „schlafenden Prinzen“, über die „Belohnung des Hartnäckigen“ bis zur unverhüllten Drohung bei der Vertretung unerwünschter Eigenschaften. Die „Deutung“ dieser Eigenschaften im Menschen ist eine Wiederholung einer aus der Kindheit entwickelten Einstellung. Hier sind wir wieder bei den Perspektiven. Je nachdem, aus welcher Perspektive ich das Ganze betrachte, wird es mir auch erscheinen. Betrachte ich mich als Widder (oder als mythischer Held), werde ich kämpfen, betrachte ich mich als Stier (oder als „Hüter des Grals“), werde ich nach Kompromissen suchen, betrachte ich mich als Zwilling (oder als Däumling, Asterix, Neo etc.), werde ich Meinungsvielfalt propagieren. Die Systematisierung selbst verlangt die Auflösung der mit ihr entstehenden Paradoxa und Widersprüche, das Systemische selbst wird zur Wirklichkeit, indem wir versuchen, den Überblick über etwas zu behalten, was uns schon längst entglitten ist. Die Gefahr ist, nicht mehr auf die eigentliche Fragestellung zurückzukehren, so wie der Held in den Erzählungen der speziellen Sagen vom Typus „Heldensagen“, die Campbell[23] untersucht hat, in der die „Irrfahrt“ selbst die Handlung erzeugt.

  1. Ruf: Erfahrung eines Mangels oder plötzliches Erscheinen einer Aufgabe
  2. Weigerung: Der Held zögert, dem Ruf zu folgen, beispielsweise, weil es gilt, Sicherheiten aufzugeben.
  3. Aufbruch: Er überwindet sein Zögern und macht sich auf die Reise.
  4. Auftreten von Problemen, die als Prüfungen interpretiert werden können
  5. Übernatürliche Hilfe: Der Held trifft unerwartet auf einen oder mehrere Mentoren.
  6. Die erste Schwelle: Schwere Prüfungen, Kampf mit dem Drachen etc., der sich als Kampf gegen die eigenen inneren Widerstände und Illusionen erweisen kann.
  7. Fortschreitende Probleme und Prüfungen, übernatürliche Hilfe.
  8. Initiation und Transformation des Helden: Empfang oder Raub eines Elixiers oder Schatzes, der die Welt des Alltags, aus der der Held aufgebrochen ist, retten könnte. Dieser Schatz kann in einer inneren Erfahrung bestehen, die durch einen äußerlichen Gegenstand symbolisiert wird.
  9. Verweigerung der Rückkehr: Der Held zögert in die Welt des Alltags zurückzukehren.
  10. Verlassen der Unterwelt: Der Held wird durch innere Beweggründe oder äußeren Zwang zur Rückkehr bewegt, die sich in einem magischen Flug oder durch Flucht vor negativen Kräften vollzieht.
  11. Rückkehr: Der Held überschreitet die Schwelle zur Alltagswelt, aus der er ursprünglich aufgebrochen war. Er trifft auf Unglauben oder Unverständnis und muss das auf der Heldenreise Gefundene oder Errungene in das Alltagsleben integrieren. (Im Märchen: Das Gold, das plötzlich zur Asche wird)
  12. Herr der zwei Welten: Der Heros vereint das Alltagsleben mit seinem neugefundenen Wissen und lässt somit die Gesellschaft an seiner Entdeckung teilhaben.[24]

Entsprechend dieser „Stufen“ des Weges gibt es Erkenntnissysteme, die das jeweilige Geschehen reflektieren helfen, am Anfang stehen entsprechend dem astrologischen Tierkreis magische Weltbilder und mythische Konstruktionen von archetypischer Gesellschaft, (Widder, Stier), es folgen Ausdifferenzierungen kommunikativer (Zwilling) und therapeutischer (Krebs) Art. Das Ich tritt auf Stufe 5 erstmals in den Vordergrund, um sogleich in zahlreiche Rationalisierungsversuche zerspalten zu werden, von denen die Wissenschaft nur eine ist (Jungfrau). Darauf folgt die Erkenntnis der direkten, spontanen Begegnung, des unverstellten Seins (Waage), das in die tiefsten Sphären menschlicher Abgründe führt (Skorpion). An dieser Stelle stehen die Initiationsriten der alten Völker, die Drogenerfahrungen der Jugendlichen, das Ausbrechen aus der gewohnten Umgebung und die Erfahrung des extremen Zurückgeworfenseins auf sich selbst. Es geht weiter mit dem Erwerb einer umfangreichen Weltanschauung (Schütze) und deren Verfestigung in den Institutionen der Gesellschaft (Steinbock). Es folgen die individuellen Experimente mit den so abgesicherten Erkenntnissen (Wassermann) und das Finden spiritueller und dauerhafter Gemeinschaft (Fische). Das System selbst ist die zweite Wirklichkeit des Menschen, der seine Welt auf eine Art und Weise gestaltet, die seinen eigenen Horizont weit überschreitet.

Ordnungen wie die von Campell und Propp sind auf viele Märchen der Welt mit Erfolg übertragen und wiedergefunden worden, z.B. in indianische Quests und Heldenmythen und in Romanstrukturen und Utopien. Andere Formen würden sich in weiblich geprägten Märchen finden, die das Thema der Abhängigkeit und Unselbstständigkeit der Frau im Patriarchat beinhalten (Schneewittchen, Aschenputtel, Dornröschen…). Sie weisen auf das zyklische des Lebens hin, das Potential jeder Situation, auch der Ausweglosesten und die Notwendigkeit der Veränderung, um den Sinn des Geschehens umkehren zu können. […Das Bedürfnis, das der Mensch fühlt, von Zeit zu Zeit eine differenzierte und festgelegte Verfassung aufzuheben, um eine urzeitliche Ganzheit wiederzufinden, erklärt sich genauso wie  das Bedürfnis nach „Orgien“, die periodisch alle Formen desintegrieren, damit das „All-Eine“ der Zeit vor der Schöpfung wiedererlangt werde….][25]. Drei Punkte erscheinen mir wesentlich im Zusammenhang von Mythen und der Bildung unserer Vorstellungen;

1.      Mythen erzählen immer wieder dieselben Versatzstücke in unterschiedlicher Aneinanderreihung. Dadurch erzeugen sie eine Kontinuität außerhalb von zeitlich logischer Reihenfolge. Schon als Kinder hören wir Märchen, um von diesen Strukturen Handlungsabläufe zu lernen und Konsequenzen einzelner Motive für sich abrufbar zu machen.

2.      Mythen fügen Gegensätze zusammen, die ansonsten unvereinbar wären. Sie beinhalten Gegensatzpaare und konstruierte Dichotomien, die das gewöhnliche Ordnungssystem sprengen.[26] So können monotheistische Vorstellungen mit polytheistischen verbunden sein, monogame mit polygamen, die Welt verneinende mit der Welt bejahenden, Bereicherung mit Verarmung  usw. 

3.      Mythen heben die zeitlich bedingte Logik auf. Sie erschaffen Raum für Varianten der Erzählung und durchbrechen damit subversiv die „offiziellen“ Versionen mit ihrem Anspruch auf alleinige Geltung auf die „Geschichte“.

Der Mythos gehört niemand, außer sich selbst. Er kann sich nicht vor der Beliebigkeit der Auslegung  schützen kann und damit auch vom „Bösen“ infiltriert werden. Er bezeichnet die unterschiedlichsten Kategorien, ohne Anstoß an den gültigen Gesetzen zu nehmen und verletzt damit das Gefühl für Symmetrie – ohne aber offen anzuklagen. So ist Apollon nicht nur der Gott der Lebensfreude und Fülle gewesen, sondern hat auch in seinem Pendant Dyonisus (ein weiteres zusammenhängendes Paar) die dunklen Seite der Sonne symbolisiert. Das Spiel der Naturkräfte verleitet dazu, die Positionen auszuwechseln.[27] Wer genau Apollon und Dionysus waren ist in der Erzählung, die sich der entsprechenden Symbole bedient,  irrerelevant.[28] Die beständigen Elemente von Erzählungen sind nicht Personen, sondern Strukturen, die die allgemeinen Motive von Menschen zusammenfassen und deren Anzahl und Reihenfolge begrenzt ist. Diese systematischen Ketten brechen die starren Regeln von Erzählungen auf, die zeitliche Reihenfolge wird durcheinander gebracht und thematisch geordnet.[29]

Wir neigen dazu, zeitliche Kategorien zu verabsolutieren und Ereignisse im Rahmen gewohnter Sortierung zu verorten, d.h. wir sehen nur die Ereignisse der Vergangenheit, die in unser Schema passen. Jede Rationalisierung dieser Art determiniert die Zukunft und unsere Anschauungen über das, was wir sein wollen. Mit dem Sprechen über Bedeutungen werden gleichzeitig auch immer Regeln und Konventionen überprüft und miteinander abgeglichen. Für Pierce war die Erschaffung und Variation von Symbolen die zentrale, kulturelle Leistung des Menschen, aus der sich Gesellschaft und soziales Verhalten aufbaut, indem eine hypothetische Zukunft entworfen wird, die ein gemeinsames Verstehen notwendig macht und somit zu Kommunikation führt. […Die rationale Bedeutung jedes Satzes liegt in der Zukunft. Wieso? Die Bedeutung eines Satzes ist selbst ein Satz. In der Tat es kein anderer als der Satz selbst, von dem er die Bedeutung ist. Er ist eine Übersetzung von ihm. Aber welche der Myriaden von Formen, in die ein Satz übersetzt werden kann, ist die eine, die seine Bedeutung genannt werden muss? Für den Pragmatisten ist es die Form, in der der Satz auf menschliches Verhalten anwendbar ist…][30] Die „erzählte Geschichte“ wird, wenn sie nicht variierbar ist, zur Falle totalitärer Glaubenssätze und Wertesysteme, deren ursprünglicher Sinn verloren gegangen ist. Luhmann nennt die Mythen deshalb eine operative Fixierung der Identität.[31] 

Um sich der eigenen Widersprüchlichkeit bewusst zu werden, muss Geschichte immer wieder neu sortiert, neu empfunden und erfunden werden. Das astrologische System ist wohl das älteste Beispiel für einen wissenschaftlichen Prototyp der Kategorienbildung und Abgleichung mit der aktuellen Symbolik. Sie enthält einen festen Satz von Codes, der in frei variierbarer Form dasselbe auf immer andere Weise beschreiben hilft, so dass es für spätere Generationen verständlich bleibt.[32] In Anlehnung an den entsprechenden Mythos führen ihre Beschreibungen immer zu einem dichotomen Höhepunkt, in dem die Gegensätze vermittelt werden und nebeneinander stehen können, ohne sich zu reiben.[33] So stehen Götter neben Menschen, der Tod neben dem Leben und das Ganze neben seinen Einzelteilen. Die Herrschenden brauchen den Mythos genauso wie das Volk zur Darstellung des Unsagbaren und beide wissen, dass sich die Rollen stets umkehren können. Kritik nährt die Mythen, je rationaler die Argumente, desto stärker die Ausweichbewegung in eine alternative Welt. Der Mythos hält das System an seinen Grenzen lebendig, an der das Ich entsteht indem es NEIN sagt. Was wir im Mythos sehen ist systemisch gesehen die Auseinandersetzung der Systeme an ihren jeweiligen Grenzen (die sie selbst nicht sehen können) und die Aufforderung, das uns Fremde zu integrieren, das unser eigener Widerspruch (bzw. die Beobachtung/Unterscheidung) erzeugt hat.

Das Ich und das Andere

Das Horoskop ist ein Bild unseres Selbst. Doch was ist das Selbst überhaupt? Sobald wir anfangen, uns selbst zu beschreiben, verändern wir uns schon. Die Vermittlung zwischen Ich und Realität ist ein Prozess der Klärung von Widersprüchen. Das erzählte ist in seiner Präsenz schon Vergangenheit, die Sprache fängt in ihrer Kreativität den Riss zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf. Indem ich mich als arbeitslosen Schriftsteller sehe, habe ich schon ein Bild entworfen, dessen Anspruch ich mit der Wirklichkeit verbinden muss. Das Ich ist immer ein Ich in Bezug auf etwas Anderes, das die Möglichkeit eines anderen Geschichtsverlaufs offen lässt. Ich kann mich auch als philosophischen Rebellen betrachten, indem ich den Rahmen wechsel. In jedem Fall muss ich ein Ganzes konstruieren, auf das ich mich beziehen kann, um der reinen Aufzählung des technischen Zeitverlaufs der Biographie eine Logik abzugewinnen. Zeit wird dort menschlicher, wo sie den Modus des Narrativen, Erzählenden gestaltet wird. „Arbeitsloser Schriftsteller“, „philosophischer Rebell“ sind mögliche Bilder (Mythen) für die Selbstidentifikation innerhalb der sozialen Normen. Sie enthalten die potentielle Möglichkeit von Entwicklung. Ich wähle diese provozierenden Bilder bewusst, um den Unterschied deutlich zu machen. Die „reguläre“ Biographie von heute sieht einen kommunikativen vor, der stets bereit ist, die neusten Techniken anzuwenden, sich selbst dabei zurücknimmt, aber in aufrechter Haltung, stets passend gekleidet und „gut drauf“ bleibt.  Da ist der Unterschied zwischen Person und Bild wesentlich unschärfer.

Diese Mimesis, die Darstellung des Selbst in Bezug auf ein Vorbild, findet sich in der Struktur des Horoskops wieder. Die vier Eckpunkte des Horoskopes spiegeln die Bezugspunkte des Selbst. Es kann sich am Deszendenten über das DU entwickeln, das ist der übliche Fall der Auseinandersetzung mit den Positionen eines anderen Menschen. Das Konzept eines eigenen Selbst ist überhaupt die Voraussetzung, um jemand Anderen begegnen zu können. Das Selbst ist dabei nicht wirklich existent, es erfährt Konstituierung,  indem es in Kontakt mit dem Anderen tritt. Es gibt kein Ich ohne ein Du. Das Selbst kann auch eine abstrakte Anschauung seiner selbst entwickeln und mit sich selbst in Kontakt treten. Dies geschieht im Horoskop am Aszendenten mit der Rolle, mit der wir uns identifizieren. Das Selbst konstituiert sich in Bezug auf ein imaginäres Ich, wie den „arbeitslosen Schriftsteller“ oder den „philosophischen Rebell“ in der sozialen Realität. Real ist dabei weder das Ich noch die Rolle, sondern die Bedingungen, die dadurch geschaffen werden, dass viele Menschen solch einem Konzept folgen und es verstehen.

Andere Bedingungen werden geschaffen, indem wir uns auf ein gemeinschaftliches Wir oder ein numinoses Es beziehen. Unser Selbst existiert ein weiteres Mal in Bezug auf eine Gemeinschaft (bewusste Entscheidung), an der wir teilhaben oder die Familie (unbewusste Überarbeitung). In diesen Relationen erscheint es entweder seinem Wesen nach oder in Beziehung der Sachzwänge. Je stärker die äußeren Strukturen sind, die auf den Menschen am MC einwirken, desto dringender wird die Entwicklung latenten Triebe und Bedürfnisse am IC. Beide Faktoren stehen zueinander in Beziehung, so wie die Vorstellung eines Anderen durch die Vorstellung vom eigenen Ich geprägt wird. Dieser „hermeneutische Zirkel“ klingt kompliziert, ist aber im Prinzip sehr simpel. Das Selbst wird immer da, wo es ein neues Konzept braucht, um sich zu aktualisieren. Deshalb schauen wir auch in das Horoskop. Es hilft uns, uns selbst in Bezug auf die vielschichtige Realität zu konstituieren und Einflüsse im Außen oder in der eigenen Wahrnehmung bewusst zu machen.

Diese Betrachtung beruht nicht auf einer etwaigen „historischen Vergangenheit“, denn diese wäre rein zufällig.[34] Es gibt keine kausalen Ursachen, die den Menschen determinieren. Sie beruht auf der Schaffung einer potentiellen Zukunft, in der wir unser Bild des Selbst verorten und daraus auf unsere Vergangenheit zurück beziehen. Mit anderen Worten: Wir variieren den Mythos solange, bis wir das für uns passende Bild gefunden haben. Alle fragmetarischen Erzählungen warten auf ihre Fortsetzung wie unsere Biographie…. Das dieses sich dann tatsächlich auch im Horoskop zeigt, ist verständlich. Denn das Horoskop ist der „virtuelle Speicher“ der Symbole und Mythen der Menschheit, der über die Vorstellung von Zeit funktioniert. Jeder Geschichte ist von Anfang an in den Sternen angelegt, es gibt kein Selbst ohne eine Kosmologie, kein Mensch ohne Schöpfungsgeschichte, kein Ich ohne Erzählung, die sich in fiktiver Weise auf etwas nicht weiter zu dekonstruierendes bezieht, die Ganzheit eines Mythos oder Bildes, die uns vermeintlich betrifft. Sobald wir aufhören, die Bilder zu entwickeln brauchen wir auch kein Konzept des Selbst mehr.

Die Systemtheorie stellt dazu fest, dass es zur Vorstellung eines Selbst immer eines Beobachters braucht, der weiß, dass er selbst beobachtet und beobachtet wird. Unter der Voraussetzung der Gewissheit des Beobachtet Werdens entsteht Reflexivität, Selbstbezug. Und aus dieser Komplexität. Je öfter wir uns einem Thema widmen, desto facettenreicher wird es. Betrachten wir unser eigenes Horoskop, so wissen wir, dass wir es beobachten und dass uns andere dabei beobachten, dass wir es beobachten. Die Art und Weise, wie wir es beobachten (mit welcher Technik, mit welcher Absicht, mit welchen Folgen), wirkt zurück auf den Beobachter, der sich selbst ebenfalls beobachtet, wie er uns beobachtet. Daraus entsteht mehr und mehr ein gefestigtes Bild. Je mehr psychologische Voraussetzungen wir in dieses Bild geben, desto uneigentlicher erscheint es. Eine „psychologische Astrologie“ ist eigentlich absurd, da durch sie vorgefasste Bilder projiziert werden, die den eigentlichen Zugang erschweren. Wenn wir schon glauben, dass ein ADS Syndrom oder eine Hypersensibilität bestimmte Auswirkungen mit sich bringen, dann werden wir genau nach diesen auch schon im Horoskop suchen und nicht mehr nach der eigentlichen Wirkung. Wir gehen davon aus, dass wir etwas finden, was wir im Vorhinein schon festgelegt haben. Dass dann die Planeten Uranus und Mars für Hyperaktivität und die Planeten Mond und Neptun für Hochsensibilität gefunden werden, liegt nicht daran, dass sie diese hervorrufen, sondern dass sie schon in der Vergangenheit in ähnlicher Psychologisierung kategorisiert wurden.[35]     

Psychologische Vorstellungen vermitteln immer zwischen Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung. Es geht nicht ohne sie, ohne ihren Bezug zu den Mythen und Urbildern. Der Anspruch der Astrologie aber ist es, zwischen diesen Riss zu schauen und dem Beobachter die Einzigartigkeit des Ereignis bewusst werden zu lassen. Die Sterne sind nur ein Abbild der Möglichkeit einer ansonsten nicht näher bestimmbaren Zukunft.[36] Sie stellen uns eine Referenz zur Bestimmung der Ereignisse zur Verfügung und damit der Verortung des Selbst in seiner eigenen Geschichte. Wirkungen müssen sie darüber hinaus keine erzielen.

Schlussbetrachtung

Der Astrologie wird vorgeworfen, nicht rational zu sein.[37] Doch die Welt der Wissenschaft ist in Bezug auf Zukunftsaussagen längst nicht so rational, wie wir glauben. Jede Formulierung eines Sachverhalts enthält Projektionen und subjektive Kategorienbildung, jeder rationale Satz, so der Mathematiker und Philosoph Charles Peirce Anfang des 20. Jahrhunderts, einen normativen Verweis in die Zukunft. Auch wenn wir meinen, von Konkretem zu sprechen, dann ergeben sich daraus automatische Spekulationen an eine gemeinsame Zukunft im Sinne einer unterschwellig enthaltenen moralischen „Botschaft“. Auch die „vernünftigsten Sätze“ können grundsätzlich nicht frei von subjektivem Sinn sein. Die Vorstellung, dass das Universum mit dem Urknall begann, ist eine Theorie, die durch das Bild eines Mythos genährt wird. Sie transportiert Vorstellungen über das Menschsein, die in der Kosmologie der Völker verwurzelt und ohne diese nicht verstehbar sind. „Schwarze Löcher“, „Würmer“, „Quarks“, „rote Riesen“ und „gelbe Zwerge“ existieren durch unsere Vorstellung, wie der Symbole des Smartphone[38] und der des Sternkreis mit seinen spezifischen Funktionen auch.

Die Einsicht, dass hinter jeder „objektiven Wahrheit“, hinter jeder „Naturkonstante“ eine subjektive Vorstellung steht, führte zur Revolution der Mathematik, der Physik als Quantenphysik und den systemischen Theorien, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts die Wissenschaft begleiten. Nicht mehr Kausalität und Beweisbarkeit stehen im Vordergrund, sondern die Theoriebildung selbst und ihre multikontextuale Möglichkeit der Abbildung in verschiedensten sprachlichen Systemen. Die Richtigkeit einer Hypothese hängt in den Sozial- und Geisteswissenschaften entscheidend von der Wahl der Perspektive ab. Für die Astrologie als Wissenschaft steht am Beginn die Frage, aus welcher Perspektive man sich beschreiben möchte (quantentheoretisch, kosmobiologisch, esoterisch, psychologisch, astrosophisch usw.), welchen Idealbildern man folgen will (siehe Artikel Idealtypus und Werturteilfreiheit und welche Historie man unterlegen möchte (die verschiedenen Zeiträume europäischer, indischer, arabischer chinesischer und anderen Astrologieformen). Die jeweiligen Schlussfolgerungen sind ohne diese Hintergründe unvollständig.  Ein Mars-Quadrat wird von einem psychologisch arbeitenden Astrologen mit sozialkritischen Hintergrund ganz anders bewertet werden, als von einem klassischen Vertreter der indischen Astrologie.

Dass die Lebenszeit eines Menschen „berechenbar“ ist und sein Schicksal „in den Sternen steht“ erscheint auf den ersten Blick durch und durch unvernünftig und anfällig für Psychologisierung und rhetorische Tricks; doch gleichzeitig kann der Mensch auf der Suche nach der ewigen Struktur und absoluten Ordnung im Kosmos nichts ausschließen, was ihn als kulturelles, Sicherheit suchendes Wesen ausmacht. Astrologie ist nicht nur ein Kommunikations-Systems unter vielen, sondern im Speziellen auch ein System zur Beschreibung der sprachlich-psychologischen Zusammenhänge aus 20.000 Jahren menschlicher Kultur. Sie beschreibt ihre Version der Geschichte und hält eine universale Mechanik zur Deutung der Mythen bereit. Es ist nicht primär ihre Aufgabe, in die „Zukunft“ zu schauen, sondern den Mechanismus der Mythenbildung und Bildersprache selbst aufzuzeigen und den Menschen hinter sein eigenes Sprach- und Rollenspektakel schauen zu lassen.


[1] Berger und Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt

[2] Der Ausgangspunkt von der Geburt ist ja auch nur eine von vielen Möglichkeiten einer Bestimmung. Jeder Zeitpunkt ist durch die klaren Formeln der Himmelbewegungen prinzipiell in jeden anderen zu überführen, d.h. aus jedem Punkt sind alle anderen abbildbar.

[3] Dies erklärt auch die halbe Sekunde Verzögerung beim Auftauchen von Emotionen. Reflexe durchlaufen schon im Gehirn eine „moralische Überprüfung“. Daraus entsteht manchmal der Eindruck, dass wir vorher schon wüssten, was der andere sagen oder tun will (Antizipation im Sport).

[4] Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos, 1979 

[5] Wikipedia 2011

[6] Berger und Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt, S. 138

[7] Berger und Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt, S. 187

[8] Aktuelles Beispiel wäre der Pfefferspray sprühende Polizist

[9] C. G. Jung war überrascht, dass er genau diese Archetypen im Bardo Tödol, dem tibetanischen Totenbuch wiederfand, die er selbst über seine Forschungen erfahren hatte.

[10] Heinz von Foerster, Der Anfang von Himmel und Erde hat keinen Namen, 2008, S. 27

[11] Diese Ansätze tauchen bereits bei Auguste Comte (Mensch in einer offenen Lebenswelt) und Nietzsche auf  (der Mensch als „verstelltes Tier)

[12] Arnold Gehlen, Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 1940

[13] Georg Simmel, Soziologie, 1908, S. 49-51

[14] Die in der Psychoanalyse bekannten Widerstandsfunktionen mögen den natürlichen Schutz des Menschen vor jeder letztendlichen Beurteilung ausdrücken im Wissen, dass alles immer auch ganz anders sein kann.

[15] Im Strukturalismus geht man davon aus, dass unsere Sicht auf die Welt diese auch konstituiert, es gibt also kein Objekt, sondern nur eine Sichtweise, die sich selbst zum Objekt macht. Desweiteren entfällt der Dualismus Subjekt/Objekt, da das Subjekt sich wechselseitig mit den von ihm bestimmten Objekten verändert.

[16] Ernst Cassirer, Die Begriffsform im mythischen Denken, 1922, S. 35

[17] Joseph Campbell, Der Heros in 1000 Gestalten, 1999, S. 366

[18] Der Glauben ist heute genauso wichtig wie zu allen Zeiten. Es ist wiederum ein Mythos der Wissenschaften, dass ein aufgeklärter Mensch der Religion nicht bedarf. Religion und Spiritualität war in alten wie in neuen Zeiten ein Bollwerk gegen Beliebigkeit, Gewalt und Regellosigkeit. Was sich wandelt sind die Institutionen der Kirchen. 

[19] Die 12 Aufgaben des Herkules waren ein beliebtes Bildmotiv, in dem auch der Sternkreis seine Bedeutung hat.

[20] Erving Goffman, Rahmen-Analyse, 1977

[21] Joseph Campbell, Die Mitte ist überall, 1992, S. 27

[22] Raoul Schrott, Arthur Jacobs, Gehirn und Gedicht Wie wir unsere Wirklichkeiten konstruieren, 2011

[23] Joseph Campbell: Der Heros in tausend Gestalten, Frankfurt a. M., 1978

[24] Wikipedia 2011

[25] M. Eliade, Die Religionen und das Heilige, S.481

[26] P. Bourdieu, Entwurf einer Theorie in der Praxis, Frankfurt, 1976, S. 262

[27] Nietzsche sah zum Beispiel in der Verehrung des dunklen Dionysischen die Heldentat, die sich gegen die Schönmalerei apollinischer Kunst wendet, die er mit dem falschen Mitleid der christlichen Kirche geleichsetzte.

[28] Man könnte sich z.B. das Paar Bush und Ahmadineschad vorstellen.

[29] Claude Lévi-Strauss, Mythologica 1, Frankfurt, 1971

[30] Charles Peirce, CP 5.427

[31] Niklas Luhmann, Was ist Mythos?  in „Die Gesellschaft der Gesellschaft“, 1997

[32] Lévi-Strauss  findet in den Mythen mehrere übereinanderliegende Codes, etwa einen Code der Nahrungsmittel, der Tiere, der Pflanzen, der Farben, des Raumes, sie entschlüsseln sich gegenseitig, wenn jeweils die fundamentale Opposition gefunden wird

[33] Entsprechend der oppositionellen und komplementären Anordnung der Planeten und Sternzeichen

[34] Man kann auf die Vergangenheit sozialer Beweggründe nicht zurückschauen, wie auf einen Gesteinsbrocken, der sich nach physikalischen Gesetzen bewegt. Wenn uns etwas als logisch folgend aus unserer Vergangenheit erscheint, dann haben wir dies nach hermeneutischer Vorstellung immer schon als Konzept mitgedacht. Auch aus karmischer Sicht ist es so, dass uns das passiert, was wir uns in der Zukunft vorstellen und daraus unsere Vergangenheit rekonstruieren.

[35] Die Elemente oder Humorale des Mittelalters kannten den phlegmatischen Typus im Wasserelement und den Choleriker im Feuerelement.

[36] Wir könnten auch sagen, dass ein Horoskop den Moment genau einen Monat nach der Geburt abbildet und würden durch diesen Bezugspunkt zu konstruktiven Aussagen kommen, weil es nur um die Referenz der Zeit an irgendeinem Punkt des fraktalen Zeitgebildes geht.   

[37] Dieses Bild wird vor allem dadurch unterstützt, dass Astrologie immer wieder in die Nähe von Prophezeiungen und Wahrsagerei gestellt wird, die nur einen kleinen Teil ihrer Aussage enthält, seriöse Deutung kommt ohne spektakuläres Streben nach „Treffern“ aus.

[38] Das Smartphone bedient z.B. mehrere Mythen, z.B. den James-Bondmythos eines Gerätes, das in „allen Gefahren“ nützlich ist und den Handelnden das Gefühl der Bewältigungsmöglichkeit jeder unvorhergesehenen Situation gibt. Aber es steht auch für den Mythos der universellen Verbundenheit, in dem alle Menschen in einer Sprache miteinander kommunizieren können, was sofort den Gegenmythos der totalen Orwell’schen Überwachung hervorruft.