Umwelt und System

Umwelt und System sind im systemischen und sozialwissenschaftlichen Sinne nicht voneinander trennbar. Was Welt ist, definiert das System selbst. Die Astrologie referiert zwar auf scheinbar unveränderliche Zeitgesetze der physikalischen Bewegungen am Himmel, ihre Aussagen aber zielen auf komplexes menschliches Dasein. Der dazwischen postulierte Zusammenhang kann nicht monokausaler Natur und damit „beweisbar“ sein oder gar moralische Schlüsse im Sinne von Charaktereigenschaften zulassen. Ihre Welt ist die Welt der Aussagen über Menschen und nicht der Mensch selbst. Die Kommunikationen von Systemen sind nach Luhmann der Versuch der Reduzierung von Komplexität durch Aufrechterhaltung von ersetzbaren Eigenwerten und wandlungsfähigen Operationalisierungen. Wenn wir als Astrologen kommunizieren, dann tun wir das in erster Linie, um die astrologische Kommunikationsmatrix verfügbar zu halten und die Möglichkeit der Bedeutungen, die ja einigermaßen feststehen nicht ausufern zu lassen. Damit bewahren wir uns ein Set an Aussagemöglichkeiten, das genügend komplex und variabel, aber überschaubar ist und zeitgemäß bleibt, ohne das Grundsetz ständig ändern zu müssen. Das hilft in der persönlichen Orientierung, sagt aber nichts über den Menschen an sich aus.   

Indem Astrologie einen universalen Wahrheitsanspruch an ihre Aussagen stellt, tritt ein Problem auf. Menschliche Differenzierung bedeutet immer die Suche nach einer sprachlichen Identität zwischen einer veränderlichen Außen- und Innenwelt der Systeme und damit die grundsätzliche Möglichkeit der Widerlegbarkeit der Aussagen. Astrologie funktioniert nur, wenn man das Dilemma eines Strebens nach Perfektion der Aussage in einer grundsätzlich kontingenten, beliebigen Welt akzeptiert. Soziale Beziehungen sind nicht voraussehbar. Das Morgen ist immer ein Konstrukt des Jetzt, dass sich im Zukünftigen auf die Gegenwart zu beziehen versucht, eine Metapher für das Sein, ein steingemeißeltes Bild für ein Veränderungspotential, dass nicht anders, als durch seinen Mythos beschreibbar bleibt, einen Mythos, den es selbst nicht objektiv deuten kann, der aber handlungsleitend bleibt und deshalb durch die Handlungs- und Kommunikationstheorien der Sozialwissenschaften hinterfragt werden muss.

Nicht nur Luhmann lehnt die Möglichkeit einer “strengen Vorhersage” innerhalb der Sozialwissenschaften ab. Kybernetische Modelle an sich gehen von eine grundlegenden Prozesshaftigkeit jedes Seins aus und einer Wirklichkeit, die sich mit dem Beobachter gleichzeitig ausbildet. Wissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten ergeben sich aus einer jeweiligen Betrachtungsweise, sie können immer auch ganz anders sein. Als beschreibende Erfahrungswissenschaft kann die Astrologie Aussagen über den Menschen in Bezug auf seine Umgebung treffen. Die Unterscheidung, die der Astrologe zwischen System und Umwelt fällt ist die der “Zeitigkeit”, also der Festlegung eines Ereignisses auf einen bestimmten “Zeitcharakter”, der zwischen der Biographie des einzelnen Menschen und seinen Generationsthemen eine Verbindung bildet. In diesem Sinne scheint “vorhersehbar”, was innerhalb eines eng gesteckten Rahmens an Voraussetzungen (Aspektbildung, Transite, Progressionen etc.) im Alltag passiert. Diese “Vorhersehung” ist aber ein Teil des Prozesses des Systems, dass auf sinnvolle Informationen der Umwelt angewiesen ist. In dem Moment, wo es seine eigenenOperationen im Äußeren anwendet, entsteht eine Differenz zwischen Innen und Außen, deren unterschiedliche Verlaufsmöglichkeiten synchronisiert werden müssen. 

Das System (egal ob gesellschaftliche Systeme, biologische Wesen oder chaotische Phänomene wie das Wetter) repliziert sich selbst aus seinen eigenen Grundbausteinen, dies ist ein Grundsatz der Systemtheorie, es bildet in autopoietischer Weise selbstständig komplexe Muster und Verhaltensstrategien aus. Je weiter es sich ausdifferenziert, desto wichtiger sind die Selektionskriterien, nach denen es zwischen für es nützlichen und unnützen Unterscheidungen sucht. Die Religion unterscheidet in gut und böse, die Justiz in Recht und Unrecht, die Wirtschaft in erfolgreich und erfolglos und die Astrologie in vorhersehbar und chaotisch. Alles, was in irgendeiner Weise zeitlich strukturierbar ist, ist auch im Rahmen der Selektionsleistungen des Systems Astrologie “vorhersehbar”. Sobald die Astrologie allerdings ihre Unterscheidungen auf den Lauf der Welt anwendet, schafft sie eine “zweite Realität”. Das Wiedereinholen der Unterscheidungen in dieser Projektion, der “Re-Entry”, wie Luhmann ihn nennt, schafft Vertrautheit auf Kosten der “wahren Realität”. Der Mythos verbindet uns mit den Numinosen, dem Unsagbaren, dem Fremden, aber er ist und bleibt ein Mythos, ein Hilfsbild für eine Wirklichkeit, die wir niemals direkt erfahren können.  

Jede Kultur schafft sich ihre kalendarischen und mythologischen Voraussetzungen, um Ereignisse im Rahmen einer kulturellen Eigenheit einzuordnen. Die Zeitbezüge replizieren sich über anschauliche Bilder in der Sprache; der Sternkreis ist eines von diesen Systemen, psychologische Inhalte auf die sich wiederholenden Abläufe des Jahres und des Tages zu übertragen. Andere Bilder sind die Zuordnungen der Mondphasen, wie sie im indischen und arabischen Raum weit verbreitet sind, das I-Ging oder der Mayakalender. Das Leben wiederholt sich in bestimmten Rhythmen, die dem Alltag eine Struktur geben, welche wiederum an dem Gleichlauf der Planeten eine zeitliche Entsprechung findet. Die Planeten “bewirken” also nur insofern etwas, als sie ein Abbild des menschlichen Zeitempfindens sind und durch die Geschichten der Mythen erscheinen – immer und immer wieder in gleicher und doch stets veränderbarer Form. 

Weiterführende Links: 

http://www.a-priller.homepage.t-online.de/lu1.htm

http://www.systemische-beratung.de/selbstreferentiell.htm

parapluie.de/archiv/sprung/emergenz/

http://www.astronews.com/forum/showthread.php?133-Geist-Gehirn-Problem/page19

http://www.ios.sinica.edu.tw/ios/people/personal/ctang/J_C_10.pdf

http://www.zfs-online.org/index.php/zfs/article/viewFile/2367/1904

http://w3-mediapool.hm.edu/mediapool/media/fk11/fk11_lokal/forschungpublikationen/lehrmaterialen/dokumente_112/sagebiel_1/Scherr-2002-SozSystemtheorie_als_Grundlage_einer_Theorie_d_SA-Luhmann.pdf

http://www.vordenker.de/buehl/wlb_luhmann-flucht-paradoxie.pdf

http://www.fen.ch/texte/gast_bormann_grundlagenkrise.pdf

http://psychologie.fernuni-hagen.de/pdf/Stufenbuch.pdf

http://www.vordenker.de/buehl/wlb_luhmann-flucht-paradoxie.pdf