Sinusmilieus

Schichtungsmodelle teilen die Gesellschaft in eine unbestimmte Zahl von sozialen Schichten oder Gruppen, die nach Merkmalen wie Bildung, Konsumbedürfnis, ideelle Werte, Normen,  ReligionArt der Kleidung, politische Einstellungen, Genre oder ritueller Organisation festgelegt werden.[1] Methodisch hat jede Schichtenanalyse mit dem Problem der Statusinkonsistenz zu kämpfen, weil die Einteilungsmerkmale einander widersprechen können: Eine untersuchte Person kann bezüglich eines Merkmals einer oberen Schicht angehören, bezüglich eines anderen aber einer unteren Schicht. Das persönliche Verhalten muss dann aber auftretende Ungleichgewichte ausgleichen können und für andere nachvollziehbar machen. Ein Hippie, der anfängt, bei einem Investmentfonds zu arbeiten, wird in beiden ‘Welten’ Probleme bekommen, wenn er nicht die Rollenbilder entsprechend anpassen kann.

Bourdieu vermeidet wie Luhmann rein strukturelle und funktionalistische Einteilungen. Für ihn entsteht das Milieu aus der jeweiligen Praxis und nicht aus vorgegebenen Kategorien, sondern aus dem Beziehungsgefecht der Beteiligten.  „Eine soziale Klasse ist definiert durch ein Merkmal (nicht einmal das am stärksten determinierende wie Umfang und Struktur des Kapitals) noch durch eine Summe von Merkmal (Geschlecht, Alter, soziale und ethnische Herkunft) …, noch auch durch eine Kette von Merkmalen, welche von einem Hauptmerkmal (der Stellung innerhalb der Produktionsverhältnisse) kausal abgeleitet sind. Eine soziale Klasse ist vielmehr definiert durch die Struktur der Beziehungen zwischen allen relevanten Merkmalen, die jeder derselben wie den Wirkungen, welche sie auf die Praxisform ausübt, ihren spezifischen Wert verleiht“ (Bourdieu 1987: 182).

Für Bourdieu bezeichnet der Habitus im Äußeren eine Kategorisierung von Angehörigen bestimmter sozialer Klassen und im Inneren eine Verinnerlichung von kollektiven Dispositionen. Handeln entsteht für ihn in Bezug auf diese äußeren Wertmaßstäbe und die innere Einstellung zu diesen. Daraus entsteht ein ‘Klassenhabitus’, der gewissermaßen imstande ist, ‘soziales Kapital’ zu erzeugen. Wenn eine Gruppe von sozialen Subjekten ähnliche Vorlieben aufweist und sich außerdem in ähnlichen sozialen Verhältnissen befindet, beobachtet man gewisse Gemeinsamkeiten. Diese gemeinsamen habituellen Strukturen sind nach Bourdieu für eine bestimmte soziale Klasse typisch.

Man ‘erkennt’ sich als seinesgleichen und wird damit wiederum für den Anderen in reziproker Weise besser nachvollziehbar. Der spezielle Habitus drückt sich auch durch eine sprachliche Reflexion aus, die Bourdieu in Anlehnung an Chomsky als ‘generative Grammatik’ bezeichnet, weil ihr polarisierender Aufbau in der jeweiligen sozialen Schicht tief verwurzelt ist.[2] Als Beispiel nennt Bourdieu typisch geschlechtliche Verhaltensformen; Machismus, Anpassung, Unterwerfung, Aggressivität etc. (entsprechend dem Rollenpaar Venus/Mars), der Unterschied zwischen egoistischen und altruistischen Verhaltensformen (Uranus/Neptun), Konsens- und Faktenorientierung (Lilith/Pluto) oder wertkonservative und freiheitlich orientierte Haltungen (Saturn/Jupiter). (Diese Planetenpaare bilden die Grundlage der Regelkreise, die in Band II behandelt werden).

BourdieuBorudieuBourdieu verband auch das Konzept objektiver sozialer Klassifizierung mit dem der subjektiven Klassifizierung. Seine empirischen Studien beschäftigten sich mit den Machtverhältnissen zwischen Individuen und Klassen Schichten. Ständig entstehen sie in diesem Prozess neue soziale Formationen und müssen neu austariert werden. Wenn sich diese Strukturen zu sehr in das Individuum einbrennen, dann ist es nicht mehr so gut zu Veränderungen möglich und die Anpassung an neue Herausforderungen gelingt nicht. Deshalb ist ein ausgewogenes Zusammenspiel der Milieus ein Schlüssel zu einer friedlichen Koexistenz.

In der Graphik des Sinusinstituts[1], das sich nach den Vorstellungen Bourdieus orientiert, ist die Verteilung sozialer Milieus in Deutschland in Prozenten aufgeführt. Verglichen wird damit z.B. Konsumverhalten, Wahlbeteiligung, politische Einstellung u.ä. Die zehn Kategorien zeigen das Ineinanderfließen der Schichtungen (vertikale) und die Ordnung nach politischen Idealen (horizontale) und die sich daraus bildenden ‘Wolken’. Die Einteilung entspricht auch anderen Schichtungsmodellen der Soziologie (siehe auch Vester et al), so dass wir die astrologischen Zuordnungen auch darüber hinaus verallgemeinern können.

Derartige Modelle sind ein künstliches Konstrukt, das seinen empirischen Gehalt in jeder Untersuchung neu beweisen muss. Die Unterscheidung in mehrere Kategorien hilft von rechts/links Klischees und ein reines Denken in Oben/Unten wegzukommen und mehr die individuellen Verknüpfungsmöglichkeiten zu betrachten. Eigentlich müsste so ein Modell dreidimensional als Kugel angelegt sein und auch die Verbindungen von Präkeren und Links-Intellektuellen, sowie Traditionellen und Expeditiven aufzeigen, die es durchaus gibt. Die Kategorie der ‘Prekären’ würde ich umbenennen, vielleicht in ‘Sozial Gewitzte’. Denn Prekariarität kann jeden in jeder Schicht erwischen und stellt kein Alleinstellungsmerkmal dar. Folgende Zuordnungen ergeben sich, die gut mit den Bedeutungen der Planeten übereinstimmen. Das Sinus-Institut beschreibt die Milieus in Kurzform so (dazu die astrologischen Entsprechungen):[2]

Konservativ-etabliertes Milieu: Klassisches Establishment mit Exklusivitäts- und Führungsanspruch, zeigt aber auch Tendenz zum Rückzug. Chiron = Vernunft, Komplexität, Verantwortung

Liberal-Intellektuelles Milieu: Aufgeklärte Bildungselite mit liberaler Grundhaltung und postmateriellen Wurzeln, hat starken Wunsch nach Selbstbestimmung. Jupiter = Wachstum, Förderung, Toleranz

Milieu der Performer: Effizienz-orientierte Leistungselite, denkt global, hohe IT-Kompetenz, sieht sich als stilistische Avantgarde. Merkur = Klugheit, Differenzierung, Improvisation

Expeditives Milieu: Unkonventionelle, kreative Avantgarde, individualistisch, sehr mobil, digital vernetzt, sucht nach Grenzen. Uranus = Autonomie, Kreativität, Freizügigkeit

Bürgerliche Mitte: Zielstrebige Mitte der Gesellschaft mit ausgeprägtem Lebenspragmatismus und Nutzenkalkül. Strebt gleichzeitig nach beruflicher und sozialer Etablierung sowie nach Sicherheit und Harmonie. Pluto =  Katharsis, Resilienz, Konsequenz

Adaptiv-pragmatisches Milieu: Der leistungs- und anpassungsbereite Mainstream, der die gesellschaftliche Ordnung mitentwickeln will, aber auch für neue Formen des Zusammenlebens aufgeschlossen ist.  Mars = Impulsivität, Durchsetzungskraft, Spontanität

Sozialökologisches Milieu: Idealistisch, konsumkritisch, globalisierungsskeptisch, besitzt ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen. Lilith = Gleichberechtigung, Mitbestimmung, Emanzipation

Traditionelles Milieu: Ordnungsliebende Kriegs- und Nachkriegsgeneration, kleinbürgerlich oder der Arbeiterwelt verhaftet. Saturn = Ordnung, Seriosität, Routine

Prekäres Milieu: (Sozial Gewitzte) Um Teilhabe bemühte Unterschicht, Zukunftsangst und Ressentiments. Neptun = Transzendenz, Spiritualität, Loslösung. Ich sehe es weniger als Unterschicht, sondern als Desiderat der bürgerlichen Mitte, in dem es aus ‚schwierigen Biographien’ oder ‚traumatischen Erlebnissen’ heraus zu humanistisch und spirituell motivierten Lebensentwürfen kommen kann.

Hedonistisches Milieu: Spaß- und erlebnisorientiert, verweigert sich den Konventionen und Leistungserwartungen der Gesellschaft. Venus = Freude, Zufriedenheit, Sinnlichkeit

Die soziale Herkunft definiert uns nur zum Teil als Angehörigen einer bestimmten Schicht und eines sozialen Feldes. Was eine Gruppe von sozialen Subjekten an ähnlichen Vorlieben vorweist und wie sich in ähnlichen sozialen Verhältnissen ergibt, wird durch gegenseitige Beeinflussung bestimmt. Jede Schicht hat ihren besonderen Habitus und ihre jeweiligen Rituale. Bourdieu zeigt anhand vieler Beispiele, wie sich der Geschmack für Kunst, Literatur und Musik ähneln und die damit verbundenen Werte und Einstellungen vorprogrammiert scheinen, je nachdem, in welchem Milieu man sich bevorzugt aufhält.

„Die Schnittstelle zwischen Klassenlage und individuellem Handeln ist der Habitus. Er ist ‘Erzeugungsprinzip objektiv klassifizierbarer Formen von Praxis und Klassifikationssystem (principum divisiones) dieser Formen“ Bourdieu 1987: 277). Er stellt eine Matrix aus Denk- Wahrnehmungs- und Handlungsmustern dar, die im Zusammenspiel mit den je aktuellen Kontextbedingungen des Feldes, auf dem ein Akteur sich bewegt, dessen Praxis generiert. Im Habitus kommt das Kapital in seiner inkorporierten Form zum Ausdruck. Der Geschmack des Menschen, die ästhetische Kompetenz, als Bestandteil des Habitus, wirkt in der sozialen Welt als ein Operator, der die bloßen physischen Dinge – ein Bild, ein Buch, ein Kleidungsstück, ein Sportgerät oder eine Speise – in distinktive Zeichen umgewandelt und somit die symbolische Ordnung der Gesellschaf rekonstituiert. Das Resultat des Zusammenwirkens von Habitus und Kontext ist der soziale Raum als ein Raum der Lebensstile, dessen Hierarchien in aller Regel als legitim anerkannt sind“ (Käsler 2000: 60).

Diese gemeinsamen habituellen Strukturen, sind nach Bourdieu, für eine bestimmte soziale Klasse typisch. Die Art zu denken, die Sichtweise auf die soziale Welt, das Verhalten und Handeln in sozialen Situationen bis hin zu alltäglichen Handlungen werden von den Dispositionen des strukturell angepassten Habitus gesteuert. Entstandene Dispositionen, inkorporierte Lernakte beziehen sich nicht nur auf die konkrete Lernsituation, sondern folgen dem generativen Prinzip des Habitus und wirken in eine Vielzahl von Handlungs-, Bewertungs- und Wahrnehmungsituationen hinein. Die durch die Klassenzugehörigkeit bestimmte Determinierung des Habitus bietet gleichwohl Raum für eine individuelle kreative Weltgestaltung. In einer Theorie der Praxis verbindet Bourdieu sozialstrukturell beeinflusste Verhaltensformen mit nutzungsorientierten Strategien. Die sozialen Akteure greifen in variablen, niemals gleichen Situationen auf dauerhafte Dispositionen zurück, die gleich den Zügen eines Schachspiels improvisiert, kombiniert, erfunden werden. Der Habitus ist also ‘objektiv’ determiniert, erlaubt aber zugleich ‘subjektive’ individuelle Handlungsstrategien in einem Raum der Möglichkeiten.

Die Zuordnung der Planeten zu den Milieus orientiert sich nicht nur nach den allgemeinen Begriffen, die sich aus den anderen Kategorien der Zeittypen und den ABC Stereotypen, den Entwicklungsstufen, sozialen Systemen und psychischen Funktionen ergeben, sondern auch nach den sogenannten Elementen. Der Tierkreis besteht aus den Elementen Feuer (Widder, Löwe, Schütze), Erde (Stier, Jungfrau, Steinbock), Luft (Zwilling, Waage, Wassermann) und Wasser (Krebs, Skorpion, Fische). Klassischerweise stehen sich die Elemente Erde und Feuer als zwei Extreme gegenüber. Die Erde und ihre Planeten Lilith (Jungfrau), Chiron (Stier) und Saturn (Steinbock) stehen für konservative und geduldige Lebensart, das Feuer und seine Planeten Mars (Widder), Jupiter (Schütze) sowie die Luft mit Uranus (Wassermann) und Merkur (Zwillinge) entsprechen progressiver und vorwärts gerichteter Denkweise. Die Elemente Wasser mit Neptun (Fische) und Pluto (Skorpion) sind eher passiv und halten sich in der Mitter der unteren Hälfte. Interessant wäre eine Untersuchung, wie Astrologie von diesen einzelnen Milieus adaptiert wird.

Planeten des Elementes Erde befinden sich in der Graphik links. Chiron (Erde) in der Jungfrau symbolisiert die konservativ Etablierten, die einer wissenschaftlichen Denkweise den Vorzug geben und entsprechende beruflichen Status anstreben. Sie sind stark vernunftbetont und ihr Bildungsideal ist an klassischem Stoff ausgerichtet. Dichter und Denker werden hervorgehoben, Latein und Griechisch gelernt und ein entsprechend zurückhaltendes und korrektes Auftreten an den Tag gelegt. Die jeweiligen Umgangsformen des Zeitgeists erscheinen ihnen oft suspekt.

Saturn (Erde) im Steinbock steht für den linken Bereich der Traditionellen, deren Leben ebenfalls stark durch Regeln und Normen bestimmt ist. Neben der Bildung ist auch eine praktische Ausbildung erwünscht, hier finden sich viele kaufmännische und handwerkliche Berufe. Man bleibt meist unter sich, hört eher Volksmusik und hält Sekundärtugenden aufrecht. Festgefügte, traditionelle Wertvorstellungen wie Sparsamkeit, Bescheidenheit, Pflichterfüllung, Heimatverbundenheit und ein unverändertes Rollenbild von Mann und Frau sind Merkmale dieses Lifestyles. Man widmet sich volkstümlichen Bräuchen, hat einen Schrebergarten und bevorzugt einfache Speisen. Die Familie hat eine große Bedeutung für die Pflege von Bräuchen.

Eine weitere erdig betonte Gruppen bilden die Sozial-Ökologischen, die dem Planet Lilith zuzuordnen sind. Sie haben gleichzeitig auch progressive Tendenzen und eine starke Vision von Gleichberechtigung. Dies kann, wie im Beispiel der Partei ‘Die Grünen’ aber immer auch umschlagen in wertkonservative Haltungen. Der Natur nahe Menschen halten sich aus der Politik meist heraus, weshalb dieses Milieu auch nur schlecht in eine eindimensionale Graphik passt. Es kommen hier sehr viele unterschiedliche Merkmale zusammen, die trotzdem eine homogene Gruppe bilden. Sie sehen sich als die Bannerträger von ‘political correctness’ und haben eine hohe Skepsis gegenüber der Globalisierung, obwohl sie in den höheren Bildungsschichten zuhause sind. Dies sind die eher konservativen Gruppen, die in der oberen Graphik auf der linken Seite liegen, würden man eine Diagonale quer durchziehen. Die anderen sechs Gruppen liegen auf der rechten Seite und entsprechen eher progressiven Lebensweisen, vertreten durch die Elemente Luft und Feuer. Man reist gerne, ist offen für andere Kulturen und Vernetzung. Die Menschen dieses Milieus sind von einer starken Vision getrieben, die meist aus dem Vorbild eines Familienmitgliedes stammt, dass schon sehr früh die Werteausrichtung geprägt hat. Die entsprechenden Partner sollten in diese Vision mit einbezogen sein. 

Die bürgerliche Mitte tendiert eher noch zu konservativen Verhaltensweisen, doch kommen diese eher aus einem Bauchgefühl als durch Bräuche oder intellektuelle Konservativität. Sie zeigen eine hohe Anpassungsbereitschaft und sind dem Planeten Pluto und dem Skorpion zugeordnet. Man achtet hier auch einen natürlichen Ausgleich und eine authentische, ungekünstelte Lebensweise. Die sozialen Beziehungen werden nach allen Seiten hin gepflegt, es findet aber eine deutliche Abgrenzung sowohl zu den konservativen Milieus als auch den progressiven statt. Ansonsten könnte man seine eigene Identität auch nur schwer wahren. Partnerschaften werden häufiger auf einer freundschaftlichen Basis geschlossen und helfen der materiellen Absicherung. In dem Erleben der bürgerlichen Mitte sind alle anderen Gruppen Abweichler, mit denen sich auseinanderzusetzen zur Last werden kann. Hier beginnt man den abgründigen Einfluss Plutos zu ahnen. Sein Selbstbewusstsein kommt weniger aus dem erreichten sozialen Status, sondern mehr aus dem Bewusstsein, dass es so richtig ist, wie man lebt.

An der oberen Mitte befinden sich die Intellektuell Liberalen, die die Medienkultur beherrschen. Sie entsprechen dem Planet Jupiter (Feuer) und stehen für Streben nach Einfluss, Geistesreichtum und eine elaborierte Lebensweise, die sich nur wenig mit den ‘unteren Gefilden’ abgibt.  Dieser Typ ist an seinem selbstbewussten Auftreten und seinem Interesse an der etablierten Hochkultur erkennbar, allerdings nicht so sehr in individuell unterschiedlicher Form, sondern als Repräsentant eines Status. Es gibt eine Tendenz zu Exklusivität, was aber soziales Engagement nicht ausschließt. Das vorhandene Geld wir in die Ausbildung spezieller Hobbys gesteckt, die die kulturelle Vielfalt beleben. Ein sehr hohes Allgemeinwissen und Interesse für verschiedenste Lebensarten sind vorhanden, führt aber leicht zu Verallgemeinerung und Oberflächlichkeit. Der Schütze ist ein Zeichen voller Elan, der aber manchmal in seiner übertriebenen Begeisterung den Kontakt zu anderen verliert. Man ist anfällig für falsche Freunde und Bewunderer und kann sich trotz pragmatischer Ausrichtung in fixe Ideen verrennen, aus denen man aber relativ schnell wieder aufwacht. Wo der wirtschaftliche Aufschwung ansteht ist Jupiter allerdings an vorderster Front dabei.

Merkur (Luft) steht ebenfalls für ein gehobenes Milieu, in dem aber weniger die intellektuelle Ausbildung, als die Performance eine Rolle spielt. Hier geht mehr um Leistung als um Kultur. Naturgemäß sind im Milieu der Performer Menschen aus Politik und Wirtschaft zuhause, aber auch aus dem Bereich der neuen Medien und bildendenden Kunst, wo sie sich sehr stark engagieren und die Familie naturgemäß zurückstehen muss. Eine Formalbildung ist Voraussetzung, wird aber oft nur benützt, um in entsprechende Kreise zu gelangen und dort seine Leistungskraft auszuspielen. Auch die Expeditiven haben oft einen hohen Status, ohne dass sie dem eine besondere Bedeutung zumessen. Es geht vielmehr um die Erkundung neuer Möglichkeiten und das Kreieren von Potenzialen. Unerlässliches Erforschen ihrer Umwelt und der Möglichkeiten zeichnet sie ebenso aus, wie das Gespür für das Momentum. Der Astrologe erkennt hier unschwer den Planeten Uranus (Luft), der das vielzitierte Wassermannzeitalter regiert. Ausgerüstet mit einem guten Netzwerk achten die Expeditiven auf Steigerungsmöglichkeiten und Verbesserungen. Politisch stehen sie eher im linken Bereich, aber für ihre Projekte spielt es keine Rolle, wo sie verwirklicht werden können; sie sind Weltbürger, die überall dort zuhause sind, wo sie Innovationen anregen können. Die Biographien wirken manchmal zerrissen zwischen Job und Partnerwechseln, doch ist ein inneres Ziel erkennbar.

Auch leistungsorientiert, aber mit mehr Sinn für seine soziale Zukunftsentwicklung ist der Adaptiv Pragmatische. Er ist nur schwer von umgebenden Milieus der bürgerlichen Mitte, den Performern, den Sozial Gewitzten und Hedonisten abgrenzbar. Manchmal wird dieser Kreis auch als die ‘junge Mitte’ bezeichnet. Am besten erfasst sich der Typus für mich an die Kulturbestrebungen, wie sie von Deutschland und Frankreich in Zuge der Aufklärung entwickelt wurden und jetzt in Amerika fortgesetzt werden und wie sie von Max Weber als protestantischer Geist des Kapitalismus beschrieben wurden. Er ist offen für das Experiment, aber nur wenn es einen Nutzen verspricht und das Risiko kalkulierbar ist. Mars steht in der Astrologie für ungebremste Tatkraft und hier liegt auch die Gefahr der ‘Überhitzung’, des Verbrennens in Burnout zwischen Fastfood und Vernachlässigung des Körpers.  

Auch die Venus im Luftzeichen Waage spielt gerne mit den Kategorien. Das Element Luft steht allgemein für kulturelle Vorlieben. Die Hedonisten sind gut sichtbar, weil es zu ihrem Lebensstil gehört, sich abzuheben. Es ist eine spaß- und erlebnisorientierte moderne untere Mittelschicht: Leben im Hier und Jetzt, Verweigerung von Konventionen und Verhaltenserwartungen der Leistungsgesellschaft. Es finden sich leicht Gleichgesinnte, die aber ebenso schnell ersetzbar sind, wie die neue Mode. Das Leben findet meist außerhalb der häuslichen Umgebung statt und sucht nach Spannung und Abenteuer und dem besonderen Kick. Bürgerliches Engagement interessiert sie nicht sonderlich, aber sie sind dabei, wo sich neue Netzwerke bilden und schwierige Themen angegangen werden. Auch hier suchen sie die Herausforderung des Neuen. Das Äußere wirkt zwischen übernächtigen Kleidungswechseln manchmal etwas merkwürdig, orientiert sich aber nach (finanzierbaren) stylischen Leitbildern.

Ganz unten stehen diejenigen, die zum unteren Rand der Gesellschaft sind, Gelegenheitsarbeiter, Putzfachkräfte und Fabrikarbeiter, aber auch Sozialarbeiter, Krankenschwestern, Kindergärtner, die  wegen der schlechten Bezahlung und Herkunft aus einfachen Verhältnisse keine großen Schritte unternehmen können und doch sehr geschickt ihr Leben meistern. Deshalb will ich sie sozial Gewitzte und nicht Prekäre nennen. Sie bilden, vertreten durch den Planeten Neptun (Wasser) den Unterbau der Gesellschaft, erledigen Arbeiten, die sonst niemand machen will und stehen als Stoßtrupp für unruhige Zeiten bereit. Der Umgang mit Schicksalsschlägen ist hier besonders ausgeprägt, es besteht eine natürliche Resilienz gegenüber Angelegenheiten, die in anderen Schichten große Probleme hervorrufen würden. Die Lebensweisen können leicht ins prekäre abgleiten, weshalb die moralischen Anforderungen besonders hoch sind. Leicht können extreme Weltbilder entstehen, die aber mangels ‘Nahrung’ auch genauso schnell wieder ersticken.

Fazit

Diese Arten von Kategorien können wie gesagt gesellschaftlich variieren und sind nicht als absolute Maßstäbe gemeint, sondern als wechselseitige Beeinflussungsgrößen. Viele Schichtungsmodelle erzeugen den Eindruck, die soziale Gliederung wäre in einer Gesellschaft objektiv vorhanden. Schon Karl Marx wies jedoch mit seinem konzeptuellen Begriff des Klassenbewusstseins und der Trennung von ‘Klasse an sich’ und ‘Klasse für sich’ auf den subjektiven Aspekt sozialer Schichtung hin. Es geht weniger um das ‘oben’ und ‘unten’, als um den persönlichen Mix von Bezugssystemen und die Fähigkeit, diese untereinander zu verknüpfen. So kann jemand mit einem reichen Partner liiert sein und die Freunde aus den ‘Favelas’ behalten; er kann einen gut bezahlten Job haben und in der Freizeit ein Fußballfan sein. Ein Polizist ist Teil des Systems der Polizei, die meist mittleren Schichten angehören; als Polizeipräsident gehört man aber auch den ‘Oberen Zehntausend’ an. Es gilt, die für sich optimale Rolle zu finden, die die Unterschiede integriert, aber nicht beliebig wird. 

Auch auf sprachlicher Ebene bilden sich wiederkehrende Muster und Merkmale ab. In der nachfolgenden Tabelle sind Begriffe aufgeführt, die typischerweise zu einem Milieu und ihren Rollenbildern gehören. In meinem Buch ‚Soziale Archetypen’ sind weitere Überlegungen dazu, wie sich der Gebrauch von wertbesetzten Begriffen in bestimmten Zusammenhängen zeigt. Sprache ist die Vermittlerin der sozialen Botschaften. Über sie treten wir nicht nur in Kontakt zu anderen Menschen, sondern zeigen uns auch als Angehöriger einer bestimmten Denkweise und eines bestimmten Persönlichkeitstypus.


[1]                  Mit Erlaubnis des Sinusinstitus

[2]                  http://www.sinus-institut.de/sinus-lösungen/


[1]                  Die Kategorien hängen naturgemäß stark vom Gegenstand der Untersuchung und seiner Absicht ab.

[2]                  Die Idee von Chomsky war ja, dass es im Kern Sätze sind und nicht Wörter, die in generalisierender Weise gebraucht werden. Dementsprechend hat jedes Milieu seine ‚Leitsätze‘.