Der kopierte Mensch

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Das Buch enthält Informationen über Meme, Künstliche Intelligenz, Epigenetik, Imitationslernen, neue anthropologische Erkenntnisse und geht auch auf den Hintergrund von Verschwörungstheorien ein. Ausgangspunkt ist die Theorie der Meme, wie sie etwa von Susan Blackmore vertreten wird. Sie besagt, dass wir viel durch Nachahmung lernen und innere Modelle von Abläufen des Lebens entwickelt, die wir dann individuell ausgestalten. Dabei entstehen Meme. Sie sind keine materiellen Dinge, sondern eher wie Algorithmen, die ein bestimmtes Ablaufprozedere definieren. In der Epigenetik geht man davon aus, dass die Gene von Myelinstrukturen umgeben sind, die genetische Funktionen ein- und ausschalten können.

Auf diese Weise sind höhere Säugetiere und besonders der Mensch in der Lage, sich schnell an veränderte Umwelten anzupassen, Werkzeuge zu gebrauchen und eine Symbolsprache zu entwickeln. Die KI klinkt sich nun in derartige mimetische Prozesse ein, wie wir mit ChatGPT sehen können. Sie reproduziert auf kreative Weise Texte, Bilder und Melodien. Dabei ist sie allerdings genauso von evolutionären Gesetzen abhängig wie der Mensch.

Meme agieren im Grunde ähnlich wie Gene zu ihrem Selbstzweck der Vervielfältigung. Wir Menschen sind nur die Träger dieser evolutionären Programme und können nicht anders, als uns immer wieder neue Versionen derselben Geschichten zu erzählen, Bildchen zu schicken und dieselben Melodien in ganz kleinen Variationen zu pfeifen. Die Masse der momentanen ‚alternativen Erzählungen‘ ist auch darauf zurückzuführen, dass es in Krisen besonders wichtig ist, für seine Nachkommen die ‚ideale Geschichte‘ zu produzieren. Psychische ‚Erkrankungen‘ hat die Natur wohl in Kauf genommen, um noch mehr Meme zu produzieren und Variationen von mimetischer Weitergabe von Informationen innerhalb sogenannter ‚Deep storys‘ zu ermöglichen. Wie manipulierbar wir darin sind und welche Rolle die KI darin einnehmen könnte, versucht dieses Buch zu zeigen.

Ausflug:

Wer ist der Mensch? Wer ist der Mensch, wenn er nicht mehr die Krone der Schöpfung ist? Wer ist der Mensch, der sich je als Krone der Schöpfung gesehen hat?

Als ich vor drei Jahren anfing, mich mit dem Stoff zu beschäftigen, war ich vor allem von der Existenz von Memen fasziniert. So wie sie Susan Blackmore in ihrem Buch ‚Die Macht der Meme‘ beschrieben hat. Kleine Programme, Musikfetzen, Abziehbilder oder (auch schlechte) Verhaltensschemas eines anderen Menschen, die uns Handlungsanweisungen übermitteln und ganz schön stark in unserem Kopf herumspuken können.

Als sie das Buch vor über zwanzig Jahren schrieb, war noch nicht viel über Epigenetik bekannt. Heute wissen wir, dass die Gene umgeben sind von Myelinstrukturen, die Einfluss auf die genetischen Codierungen nehmen können und tiefliegende Verhaltensmuster verändern. Das Wissen davon hat in der Traumaforschung zu vielen neuen Einsichten geführt.

Denn wir können durch eine bewusste geistige Haltung und eine gezielte Veränderung unseres Umfeldes auch unsere Programmierungen umgestalten. Das gilt individuell wie kollektiv. Wir sind nicht einem gnadenlos ablaufenden evolutionären Programm ausgeliefert, sondern auch Schöpfer der Wirklichkeit. Vor allem der sozialen Wirklichkeit und der Art und Weise, wie wir friedlich un respektvoll miteinander umgehen, um nicht noch mehr Traumas hervorzurufen.

Denn die Geschichte der Zivilisation seit ca. 7000 Jahren ist voll von traumatischen Ereignissen, Kriegen, Hungersnöten und Umweltkatastrophen. Und seitdem explodieren auch die mimetischen Nachahmungen von vermeintlichen Heldengeschichten, Göttern und mächtigen Vorbildern. Sie prägen auch heute unsere Motive und der Ruf nach dem großen Führer hat nach wie vor eine ungebrochene Anziehungskraft.

Doch immer mehr wird uns auch bewusst, wie manipulativ diese Geschichten sind und von Kirche, Wissenschaft, Politik und der Werbung für ihre Zwecke benutzt werden. Und jetzt kann auch noch Künstliche Intelligenz das alles nachahmen und ganze Hollywoodfilme produzieren, um uns in unserer Sehnsucht nach einem heilen Paradies als treuen Konsumenten einzufangen.

Dieses Paradies liegt aber vielmehr in einer nachhaltigen und sparsamen Haltung mit vernetzter Schwarmintelligenz und kleinen Hierarchien. Die Maschine kopiert im Moment vor allem den Teil des Menschen, der ihr durch die elektronischen Medien und die Wünsche der großen Produzenten zugänglich ist. Dadurch entsteht mitten in der Phase der 68er Revolution mit dem Streben nach Gleichberechtigung, Transparenz und Emanzipation ein verzerrtes Menschenbild, das autoritären Vorbildern Vorschub leistet.

Intelligent wäre es, wenn Menschen und Maschinen gleichermaßen in der Lage wären, die Ursachen von Ressentiments und Verachtung in ihrer wahllosen Memreproduktion zu erkennen. Doch gehören Verschwörungstheorien, Fakenews und Werbeversprechen zum Menschsein und zur Gegenaufklärung dazu. Ein offener Diskurs kann zu einem neuen gemeinsamen Fundament menschlichen Zusammenlebens führen. Doch er gestaltet sich schwieriger, wenn wir nicht den Urheber hinter den Nachrichten ermitteln können und nicht wissen, in welchem Sinne KI eingesetzt wird, um Meinung zu beeinflussen.

Das ist der Stand der Dinge, bei dem vor  allem eines nicht hilft. Alte Vorurteile aufrecht zu erhalten und weiter Feindbilder zu pflegen im vermeintlichen eigenen Rechthaben. Denn in dieser Haltung sind wir am leichtesten beeinflussbar. Ein Rückkehr zum sokratischen Eingeständnis des eigenen Nichtwissens ist die Voraussetzung für die Bereitschaft, sich umfassend zu informieren und zu lernen, eigene Schlüsse zu ziehen. Und gleichzeitig in kleinen Gruppen reale Veränderungen des eigenen Umfeldes vorzunehmen und so die Welt vom Kleinen heraus zu verändern. Denn dort auf der Ebene des kleinsten Mems fängt es an.

Technologie und Wissen können immer zum Guten oder zum Schlechten verwendet werden. Es ist der einzelne Mensch, der entscheidet, wohin er seine Motivation lenkt. Auch Künstliche Intelligenz kann dazu verwendet werden, mehr Gerechtigkeit und Wahlmöglichkeiten zu schaffen. So wie Martin Luther die Bibel auf Deutsch übersetzte, damit alle sie lesen können, können ChatGPT und andere Bots dazu beitragen, Wissen allen Menschen zugänglich zu machen. Verbleibt sie allerdings in den Händen einiger weniger, dann ist sie eine Bedrohung für die Demokratie, oder sogar für den Menschen selbst.

Es ist vorstellbar, das in einer sozial gerechten Welt, in der alle gleichermaßen Zugang zu produktiven Kräften haben, jeder Einzelne seine Fähigkeiten und Produkte anbieten kann. Das erfodert eine Kontrolle über das Wirtschaftssystem, das Betrug, Steueroasen und Finanzspekulationen unterbindet. Der Spalt zwischen arm und reich ist im Moment so groß wie noch nie in der Menschheitsgeschichte, weil einige wenige die Macht über die Daten besitzen und niemand sie daran hindern kann, sich unter Ausbeutung der letzten Ressourcen zu bereichern.

Ein offener Diskurs setzt voraus, dass die Faktenlagen transparent gemacht werden, jeder Mensch Zugang zu den elektronischen Tools hat und Kritik an dem System üben kann. Das beinhaltet auch die grundstätzliche Kritik an dem Sinn von Technologie und dem Einsatz von KI. Es wird allerdings sehr schwierig werden, darüber zu reden, ohne die Technologie und ihre Meme einzusetzen und ihr damit noch mehr Raum über unser Leben und die Aushandlungen sozialer Formen zu geben. Letzendlich werden wir uns daran gewöhnen müssen, dass sie ein Teil unserer Existenz ist. Nicht so sehr deshalb, weil uns die Technologien den Alltag erleichtern. Jeder weiß, wie viel schwerer es geworden ist, einen einfachen Brief an ein Amt zu verfassen oder ein Gewerbe aufzubauen.

Sondern deshalb, weil es immer angesagt war, soviel wie möglich zu quasseln und zu posten und zu pushen um seinen Memen einen Vorteil zu verschaffen und die eigenen Gene weiterzuvererben. Wer in der jungen Generation heute nicht auf TicToc, Instagram und Snapchat ist, und nicht die halbe Nacht damit verbringt, irgendwelche Videoschnippel zu liken und zu kommentieren, wird auf dem Markt der Beziehungen nicht besonders viel bewirken. Wir sind soziale Wesen und darauf angewiesen, von anderen Menschen Aufmerksamkeit zu bekommen. Daran ist nichts schlimmes. Solange wir das Gegenüber in der elektronischen Welt nicht mit einem Bot verwechseln.