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Mit diesem Artikel möchte ich den «symbolischen Interaktionismus» vorstellen, eine philosophische Strömung des letzten Jahrhunderts, die eine für die Astrologie interessante Feststellung macht, nämlich dass die wichtigste Ebene unserer Realität die des Symbolischen sei.

In der Astrologie haben wir es mit Sprachbildern zu tun, die dem jeweiligen Zeitgeist angepasst werden. Die Bedeutung der Planeten und Sternzeichen variiert mit dem Wert, den die Kultur der jeweiligen Eigenschaft beimisst. Gleichzeitig gibt es aber auch unveränderliche Merkmale – ein Merkur verbunden mit dem Zeichen Zwillinge bleibt beispielsweise immer ein schnell denkender, kommunikativer und flexibler Charakter.

Ich möchte darüber hinaus einen bisher weniger beleuchteten Macht-Aspekt von Merkur anhand der Horoskope von Barack Obama, Gerhard Schröder und Nicolas Sarkozy vorstellen und damit im Sinne des symbolischen Interaktionismus zeigen, wie sich politische Macht über die Möglichkeit generiert, Einfluss auf die Gestaltung von Symbolen zu nehmen. Obama, Schröder und Sarkozy haben gemeinsam, dass ihnen mit ihrer Ausstrahlung eine Art Erneuererrolle zugestanden worden ist, die in der Politik nicht so häufig vorkommt, weil sie mit einem Vertrauensvorschuss verbunden ist und in der Vergangenheit mit manchmal katastrophalem Ausgang missbraucht wurde. Umso schöner, dass die drei Politiker es verstanden haben, ein positives Signal zu setzen.

Die drei Horoskope weisen folgende Parallelen auf:

a)        Eine Merkur-Stellung im sechsten Haus (bei Sarkozy progressiv);

b)        Einen Aspekt des Merkur zu Pluto;

c)         Eine Betonung der rechten (synthetischen) Horoskophälfte;

d)        Eine «große Konjunktion» von zwei äußeren Planeten;

e)        Progressionen von Venus und Mars während ihren Amtszeiten.

An alle drei Politiker werden oder wurden hohe Erwartungen gestellt, die teilweise in einen irrationalen Bereich gehen oder gingen. Schröder war so etwas wie ein Erretter der Sozialdemokratie in Deutschland, nach Jahren der Suche nach einem geeigneten Anführer. Er hat die Anhänger der Sozialdemokratie allerdings in zwei Lager gespalten. Sarkozy mit seiner Model-Gattin Carla Bruni ist eine Integrationsfigur voller Ambivalenz, der es versteht, die unterschiedlichsten Lager in einer für Frankreich schwierigen Zeit zusammenzubringen – allerdings zum Preis der politischen Glaubwürdigkeit. Und die Urteile über den Menschen Obama, erster farbiger Präsident Amerikas, bewegen sich in einem hilflos mystifizierenden Bereich, in dem jeder Ausgang denkbar ist.

Symbolischer Interaktionismus

Nach der Theorie des symbolischen Interaktionismus von Herbert Blumer[1] handelt der Mensch aufgrund von drei Prämissen:

1.         Menschen handeln Dingen gegenüber aufgrund der Bedeutung, die diese Dinge für sie haben.

2.         Diese Bedeutung entsteht in einem Interaktionsprozess.

3.         Die Bedeutung wird von der Person in Auseinandersetzung mit den Dingen selbst interpretiert, daraufhin entsprechend gehandhabt und geändert.

Wir bilden also nach dieser Theorie unsere Realität – oder zumindest den Ausschnitt davon, den wir für bedeutend halten – selbst. Die Bedeutung wird vor allem durch Symbole transportiert, deren Gebrauch sich wandelt. Realität ist demnach vor allem Intersubjektivität – eine symbolische Ebene zwischen Unbewusstem, über deren Inhalt wir uns immer wieder klar werden müssen. Unsere

Sprache ist ein ständiger Prozess der Annäherung an ein gemeinsames Sinnverständnis. Die Bedeutung der Symbole und Wörter befindet sich in einer ständigen Wandlung, und wir müssen in jeder Kommunikation prinzipiell neu herausfinden, ob unser Gegenüber das Gesagte auf dieselbe Weise wie wir interpretiert.

Je besser ein Mensch diese Ebene der Intersubjektivität beherrscht, je mehr Symbole er kennt und anzuwenden weiß, desto grösser ist seine Chance, verstanden und anerkannt zu werden. Jeder Diskurs findet so immer vor dem Hintergrund von Bildern und Symbolen statt, die etwas auslösen in uns. Wer die Anwendung dieser Symbole nicht beherrscht, wird sich nur schwer verständlich machen können. Kultur ist also nach der Theorie des symbolischen Interaktionismus vor allem die permanente Umwandlung und Wiederholung von Symbolinhalten, und das erklärt, warum wir Tag für Tag scheinbar dieselben Informationen wiederkäuen, dieselben Poli­tikersätze anhören, dieselben Gedanken denken. Wir orten, wie eine Antenne, den geringsten Wandel.

Der Planet Merkur

Die Astrologie hat für dieses Prinzip der Kommunikationsortung den Planeten Merkur mit seiner Entsprechung zum informationshungrigen Zwillinge-Zeichen. Merkur enthält die Ursymbole des Kreuzes, des Kreises und des Halbmondes und damit das Alles und das Nichts (die manchmal nicht vorhandene Distanz zwischen kindischem Gehabe und Allmachtanspruch des Geistes zwischen Schein und Sein) sowie die Begrenztheit der Vernunft in einem Symbol. Doch Merkur hat auch noch einen kaum bemerkten Machtaspekt, und sein Symbol ähnelt auch dem Zeichen des Dollar, dem Zeichen des Äskulapstabs der Medizin, dem Paragrafenzeichen und entfernt auch dem Zeichen des Kommunismus mit Hammer und Sichel, wie die folgende Abbildung zeigt:

     

Zufall? Nein, wenn man weiß, dass wir uns rasant in das Zeitalter der Information bewegen und Merkur, der Gott der Kaufleute und Diebe, schon immer der Zuständige für allgemeines und gefährliches Wissen war, dann wird klar, wie wir schon immer von seiner Symbolik geprägt waren.

Merkur ähnelt aber auch einer historischen Gestalt, die in der Religion immer wieder auftaucht: jener des Erlösers und Erretters von den irdischen Fesseln. In Form von Bran und dem Kessel, der sich immer wieder von selbst füllt, in Form von Mithras, dem persischen Schwarz-Weiß-Gott, der nach gnostischen Vorstellungen die Welt aus dem Dunklen gebiert, in Form der auch von römischen Soldaten verehrten «Sol Invictus», der unsterblichen Sonne, die jedes Jahr von Neuem geopfert werden musste, in Form von Buddha, der die Auflösung des Intellekts lehrte, oder in Form von Jesus, der Verkörperung des Logos.

Die eine Seite des Merkur sind seine Symbole der Macht, die andere seine Leichtigkeit und Redegewandtheit, sein Esprit und seine Klugheit. Jedes Volk hat seine eigenen Figuren, die die Symbolik von Merkur ausdrücken. Obama erinnert an die uramerikanische Gestalt des gutmütigen Uncle Tom, die in den USA so ambivalent gesehen wird. Obamas Großvater entstammt dem kenianischen Lou-Volk, das freiheitlich und egalitär orientiert ist und eines der wenigen Völker Afrikas, die keine Beschneidung praktizieren. Obama selber wurde auf der nicht nur unter Surfern legendären Insel Hawaii geboren – die Symbole drängen sich förmlich auf.

Uncle Tom, der meist schweigende Gutmensch, weiß, mit welchen Mitteln er seine vertrackte Lage so beschreiben kann, dass sie in den «Übermenschen» ein Gefühl der Reue auslösen. Er ist Realist, Jurist, Pragmatist. Er weiß um die Schwäche seiner Position, und genau das macht ihn so stark. Wenn er nicht aus Afghanistan abzieht und das marode Wirtschaftssystem weiter füttert, dann wird ihm, dem Underdog von nirgendwo, das niemand verübeln können. Wenn er das amerikanische Gesundheitssystem nicht verbessert, dann ist das o. k. Denn er ist nur Onkel Tom, und alles, was er hat, ist seine Hütte. Und mehr braucht er auch nicht, um dem kleinen Mann zu sagen: Du kannst es genauso wie ich schaffen.

Sarkozy und seine Ähnlichkeiten mit Asterix, dem listigen Gallier mit seiner betörenden Fallaba und dem dicken Freund Obelix (Sarkozys Bündnisse mit einflussreichen Unternehmern) sind geradezu frappierend. Der Helm mit den Flügeln ist förmlich zu sehen, seine zierliche Gestalt, die Frechheit und die Androgynität sind Merkmale eines Außenseiters, der keine körperliche Kraft oder Größe braucht (Sarkozy misst 1,65 m), sondern eher den kessen Spruch und die gewagte Aktion zur richtigen Zeit. Ein kleingewachsener Denker in seinem Widerstand gegen die imperiale Macht, die Sarkozys eigenen Weg in der Wirtschaftskrise gegen Amerikaner wie Russen erklärbar macht.

Der listige Gallier hat nur eine Angst: dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt. Übersetzt: Dass Uranus, der das Himmelsgewölbe repräsentiert, an seinem eigenen Chaos verrückt wird. Sarkozy ist ein Meister der Bilder und Worte, der mit großen Worten Ärgernisse zu vertuschen sucht, für die er dann mühsam die Verantwortung trägt. Sein Aufruf, mit dem Kärcher durch die Banlieus zu gehen, wird vergeben, wenn er dafür jungen Ministerinnen mit Migrationshintergrund eine Chance gibt.

Bleibt Schröders Imitation des typisch deutschen Simplicissimus, der die Welt mit seiner Einfalt überlistet: Ein schlichter Bauernsohn ist gefordert, in einer rasend gewordenen Welt (Dreißigjähriger Krieg) zu bestehen. Als Frau verkleidet hat er einige Not, den Begehren der Soldaten zu entgehen. Später unternimmt er Reisen zum Mummelsee und in das Innere der Welt. Doch nirgendwo findet er – nach faustischer Manier – die Ruhe; eine grundsätzliche Unabschließbarkeit der Geschichte, die ihr die (merkurianische) Unruhe der Suche des Kindes nach ewigen Abenteuern gibt.

Die deutsche Besonderheit des Merkur scheint im Understatement zu liegen, verbunden mit einer Prise Fatalismus und Lebensangst. Schröders «Ho mir ma ne Flasche Bier» ist der Video-Hit im Internet lange vor Obamas Twitterfeldzug. «Der Genosse der Bosse» sitzt mit den Mächtigen am Tisch, einen Zigarillo in der Hand und im Herzen die kleine Vorstadtmentalität einer Hannoveraner Armenfamilie nach dem Krieg. Die Deutschen lieben derartige Biografien. Der «größte Schröder aller Zeiten» erlebt seine neptunischen Ausfälle auf seinen Reisen in die Innenwelt der russischen Mafia, und wir warten gespannt auf die Fortsetzung dieser erbaulichen Geschichte.

Das Reale, Imaginäre und Symbolische

Grundlegend für alles Streben ist dem französischen Psychoanalytiker und Phi­losophen Jaques Lacan der Mangel an dem Objekt, das in dem Moment, wo wir es begehren, schon verschwunden sein muss.[2] Unser Handeln besteht für ihn zum größten Teil darin, nicht existie­renden Dingen nachzujagen.

Neben der symbolischen Ebene gibt es für ihn noch zwei weitere Ebenen im Leben: die imaginäre und die reale Ebene. Das Imaginäre ist all das, was wir wünschen und fantasieren und nicht von den Symbolen beeinflusst ist. Wenn wir etwas nicht erhalten können, dann erscheint es in unserer Vorstellung. Die imaginäre Ebene wird im Leben dann wichtig, wenn die Symbole nicht mit dem Inhalt übereinstimmen, wenn Zukunft und Vergangenheit nicht zusammenpassen und wir den Zustand des Mangels nicht kompensieren können. Dann erfinden wir die Geschichten, die uns am Leben erhalten, die uns im Geiste die Macht geben, die wir gerne hätten, und indem wir uns durch diese Vision hangeln, wird sie vielleicht eines Tages Realität.

Das, was Lacan «reale Ebene» nennt, hat wenig mit dem zu tun, was wir gemeinhin über Realität denken. Realität gibt es nach Lacan nur in den wenigen Augenblicken, wenn wir uns wirklich über eine Absicht oder eine Verfehlung bewusst werden und diese korrigieren können. Solche Situationen entstehen zum Beispiel bei der Frage nach Gerechtigkeit vor Gericht oder in einem Gespräch, bei dem der eine dem anderen Empathie gibt, aktiv zuhört und sich der eigenen Manipulationsversuche bewusst ist. Die Realität hat vor allem mit existenziellen Krisen zu tun, die wir gerne aus dem Alltag ausblenden, weil wir meinen, dass sie unserem Ansehen schaden. Bezug zur Realität entsteht da, wo starke Gefühle gezeigt werden können, ohne Angst vor Sanktionen zu haben – also vor allem in engen Beziehungen. «Besserer» Realitätsbezug macht sich in besserer Kommunikation und dem Verstehen der Symbole und der Fantasie des anderen bemerkbar.

Alle drei Ebenen – in der obigen Darstellung symbolisiert durch Ringe – sind verwoben wie ein Borromäischer Knoten. Wenn man einen Ring aus dieser Schlinge löst, dann fallen auch die beiden anderen auseinander. Bei dem Verlust der symbolischen Ebene, die für Lacan die grundlegende ist, werden wir automatisch entweder auf unsere (verrückten) Vorstellungen zurückgeführt oder in die «harte» Realität geworfen. Die Kommunikation funktioniert nicht mehr wie gewohnt. Deshalb ist Kommunika­tion immer auch der Versuch, sich der Richtigkeit des Symbols zu versichern und seinen Gebrauch in allen Situationen zu üben. Das ist der Grund, warum wir tausendmal dieselbe Nachricht hören, warum wir tausendmal den scheinbar selben Ge­danken denken und warum wir so langweilige Berufe ausüben können. Es geht um die diversen Ebenen, die hinter der scheinbaren Wirklichkeit liegen und die erst für uns annehmbar erscheinen, wenn wir uns mit den anderen über sie verständigen können. Wir wollen Übereinstimmung über die Bedeutung der Symbole erzielen.

Das Symbol verbindet uns mit dem Anderen. Es steht am Schnittpunkt zwischen zwei Meinungen. Über die gemeinsame Verwendung des Symbols entsteht Kontakt. Im Symbol spiegelt sich der Wunsch des Begehrens, unsere Gefühle, unsere innersten Gedanken wider. Es ist sowohl der Wunsch nach dem Anderen als auch der Wunsch des Anderen, der das Subjekt bestimmt. Das heißt, dass alles, worauf sich unser Begehren und Ansinnen richtet, von den Anderen automatisch mitgeprägt ist. Der Symbolist Arthur Rimbaud brachte es Ende des 19. Jahrhunderts auf den Punkt: «Ich ist ein Anderer.»

Merkur im Horoskop von Schröder, Sarkozy und Obama

Merkur ist der Planet der Kommunika­tion und der Vermittlung von Botschaften. Obama und Schröder haben den Merkur im sechsten Haus, dem Haus seiner Erhöhung, bei Sarkozy geht der progres­sive Merkur während seiner jetzigen Amtszeit durch dieses Haus des Dienstes an der Gesellschaft, der praktischen Intelligenz und des Gespürs für den Moment. Man kann also sagen, dass alle drei ihre intellektuellen Fähigkeiten in den Dienst des Volkes stellen wollen.

Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Betonung des Deszendenten bzw. eine Rechtslastigkeit des Horoskops (bei Sarkozy sind immerhin Sonne, Mars, Merkur, Chiron und Mond auf der rechten Seite sowie alle Progressionen von Schnellläufern). Diese Gewichtung ist bei Menschen zu finden, die über Beziehungen zu Erfolg zu kommen suchen. Die Planeten des sechsten und siebten Hauses stehen für die Menschen, die uns auf unserem Weg begleiten.

Am augenscheinlichsten ist die Parallele von Horoskop und Ministerämtern bei Obama. Der Löwe-Deszendent mit Sonne, Uranus, Lilith und Mondknoten lädt die mächtige Opposition ein, gemeinsam die Schwierigkeiten des Landes zu überwinden. Obama bringt seinen Merkur auf lockere Weise zum Ausdruck, obwohl dieser in einem sehr gespannten Horoskop steht. Durch seinen Zwillinge-Mond (in seinem eigenen vierten Haus, mit einem Sextil zu Merkur und einem Quadrat zu Pluto) sind harte Kommunikationsübungen und die Achterbahn der Gefühle von klein auf präsent. Michael Roscher nannte diese Konstellation (Zwillinge-Mond) den «Peter Pan».[3] Er ist ein Outlaw in Neverland, dem Land, in dem die Kinder niemals ­erwachsen werden und zu kriminellen Handlungen neigen, wenn Tinkerbell nicht auf sie aufpasst. Für Obama geht es darum, seine mit Skorpion-MC und progressiver Sonne Anfang des achten Hauses durchaus vorhandenen plutonischen Energien anders als Bush zu handhaben. Krieg und Protzerei mit Wirtschaftsmacht ist unpopulär geworden.

Merkur auf 2 Grad Löwe in Opposition zu Jupiter hat die Begabung für große Worte – aber wird er auch die feinen Töne treffen, wenn Amerika Niederlagen erleidet? Der progressive Merkur steht bei der Amtseinführung Obamas exakt mit dem progressiven Mars auf 23 Grad Waage im Quadrat zu Saturn in Steinbock und im Sextil zu Uranus in Löwe. In Obamas Horoskop vereint sich auch jenes Thema von Saturn und Uranus (Quinkunx), das in diesen Jahren alte Autoritäten und Machtstrukturen infrage stellt und stellen wird.

Auch Schröder hatte in seinen beiden Amtszeiten gewichtige Probleme zu lösen; er hat den Spagat geschafft, Deutschland in Zeiten der Globalisierung nicht dem Ausverkauf an die Global Players preiszugeben und trotzdem attraktiv für das weltweite Unternehmertum zu bleiben. Sein Merkur steht in Stier am Deszendenten und bildet ein doppeltes Lerndreieck mit jeweils einem Quinkunx zum Mond und einem Sextil zu Mars und einem Quadrat zu Pluto. Der Stier-Merkur am DC lädt ein, mit ihm kraftvoll zu debattieren. Er zieht Menschen an, die das Leichte (Merkur) mit dem Schweren (Stier) verbinden können. Das Quinkunx zum Mond ist eine Aufforderung zur Entwicklung von übersensiblen (Waage-Mond) und täuschenden (Mond Konjunktion Neptun) Eigenschaften zu einem klaren Ausdruck (Merkur in Haus sechs) und festen Plänen (Merkur in Stier). Schröder schien am Anfang der eigene Weg nicht bewusst zu sein. Je eindeutiger die Veränderungen auf dem Wirtschaftsmarkt wurden, desto klarer wurde seine Linie.

Sarkozy hat es geschafft, den schwer angeschlagenen Staatshaushalt Frankreichs zu sanieren und gleichzeitig in der Wirtschaftskrise den Eindruck der Lockerheit zu vermitteln, sodass die vielen Kritiker und Warner nach und nach verstummten. Der Wassermann-Merkur in Haus fünf ist kein Freund von Traurigkeit. Allerdings hat er in einem T-Quadrat mit Pluto und Saturn zu kämpfen und damit mit ständigen Herausforderungen existenzieller Art. Laut seiner Exfrau hat er mit seinen Kindern nie gemeinsam am Abendtisch gesessen, sondern immer nur gearbeitet. Ein Quinkunx zu Jupiter/Uranus in Krebs fordert die Entwicklung von exzentrischen (Uranus), aber auch langwierigen (Jupiter) Familiengeschichten zu einer mehr authentischen (Merkur in fünf) und kreativen (Merkur in Wassermann) Art.

Venus in Haus drei möchte einen spielerischen, gelassenen Umgang, während Saturn im selben Haus auf Nachhaltigkeit und Tradition drängt. Wie ist das zu vereinen? Da zu vermuten ist, dass das Horoskop eines Staatspräsidenten zumindest zum Teil auch die aktuellen Themen der Bevölkerung spiegelt, kann Sarkozys Gratwanderung zwischen Lust und Spiel, harter Hand und lockeren Sprüchen als Projektion einer leicht fatalistischen Grundhaltung der Franzosen gesehen werden. Der schwierigen Wirtschaftslage wird mit überspielendem Humor und Erinnerungen an die einstige Grande Nation begegnet. Wir erinnern uns, dass vor der Französischen Revolution der Adel kein Mittel gegen seinen ausufernden Staatshaushalt fand und die Revolution in Kauf nahm.

Eine Mond/Mars-Konjunktion im Widder-Zeichen braucht viele Ventile, um ihre überschüssige Kraft loszuwerden. Sarkozy, der aus ungarischem Adel stammt, hat am Anfang seiner Amtspe­riode versucht, medienwirksame Bilder mithilfe seiner kurzen Drähte zur Presse zu setzen. Er hat die bulgarischen Krankenschwestern durch einen Deal mit Gaddafi aus libyscher Gefangenschaft gekauft, er wettert populistisch gegen die Türkei-Mitgliedschaft in der EU, er macht einen umstrittenen Sozialisten zum Leiter des Auswärtigen Amtes, er redet davon, dass «die Afrikaner nie in die Geschichte eingetreten sind» usw.

Der progressive Merkur war bei Sarkozys Amtseinführung in der Nähe des transitierenden Mondknotens und des progressiven Mondes: zwei weitere Indizien für die hohe Emotionalität, die seine Wahl begleitete. Der Aspekt mag ihm geholfen haben, die richtigen Worte auch gegenüber Frauen (als potenziellen Wählern) zu finden, doch je mehr der progressive Merkur aus der Halbsumme von Sonne und Mond herauslaufen wird, desto eher wird der latent vorhandene Chauvinismus wieder durchbrechen. Die progressive Sonne rückt in einigen Jahren zur so durchschlagskräftigen Mond/ Mars-Konjunktion in Widder auf und wird diesen Präsidenten noch manche «Schlacht» schlagen lassen.

Interessant ist, dass alle drei Horoskopeigner einen Aspekt von Merkur mit Plu­to besitzen, bei Sarkozy ist es die Opposition, die ihn extrem streitlustig erscheinen lässt, bei Schröder das Quadrat, dass ihn zu manch überharten Worten hinreißen lässt (welche auch nicht von Waage-Mond und Krebs-Mars sensibel aufgefangen werden können), und bei Obama ist es zwar nur ein weites Halbsextil, doch umrahmen Merkur und Pluto vier Planeten auf dem Zeichenwechsel von Löwe zu Jungfrau und verstärken das Bild des «Dieners (Merkur in Jungfrau) am Ganzen».

Nach der Theorie des symbolischen Interaktionismus handeln wir, wie gesagt, gegenüber den Dingen und den Mitmenschen aufgrund der Bedeutung, die diese für uns besitzen. Diese Bedeutung wandelt sich ständig durch den interpretativen Prozess. Gebrauchen wir die Symbole in einer für den anderen unverständlichen Weise, so wird der gemeinsame Kontext schmäler, der Handlungsspielraum kleiner. Ein Mensch, der hingegen selbst die Macht hat, Symbole zu kreieren, wird seinen Handlungsspielraum erweitern, weil er Einfluss auf ihre Entwicklung und ihren Bedeutungsgehalt gewinnt. Im «Spiel der Mächtigen» können wir das gut beobachten. Obamas «Change» und Sarkozys «Kärcher» werden unvergessen bleiben. Die Symbole müssen auch nicht immer positiv sein, um Zeichen zu setzen. Man denke nur an Schröders «Agenda 2010» und «Hartz IV».

Erotische Komponenten durch Venus- und Mars- Progressionen

Weiterhin ist allen drei Amtsinhabern gemeinsam, dass sie auffällig viele Progressionen von Mars und Venus während ihrer Amtszeit haben und hatten. Symbolisch stehen Venus und Mars für die Beziehung zwischen Frau und Mann, aber auch für die anregende Spannung zwischen weich und hart, passiv und aktiv, verführerisch und verführend. Zusammen mit der Merkur-Betonung schwingen «erotische Botschaften» bei ihren Auftritten mit.

Progressionen entsprechen keinen «realen» Abbildungen am Himmel, sie sind mathematische Projektionen, die sich aus dem symbolischen Vergleich von Jahres- und Tageslauf ergeben. Sie sind sozusagen ein «Beweis», dass die symbolische Ebene denselben Einfluss über die Sterne ausübt wie die «reale». Dabei sollte erwähnt werden, dass die «reale» Ebene des Horoskops auch nur die Projektion eines idealisierten, abgerundeten Tierkreises ist, der auf eine Dimension komprimiert wurde. So arbeitet unsere gesamte Astrologie auf mehr oder weniger rein symbolischer Ebene.[4]

Die erotische Komponente ist bei Obama am augenscheinlichsten. Die progressive Venus bei Uranus und Mondknoten verleiht dem amerikanischen Präsidenten einen Hauch von Esprit. Sein Flirt mit dem Volk ist unübersehbar, auch wenn er es nicht wie Sarkozy in einer spektakulären Heirat mit einem Model offenkundig macht. Kleines Indiz für menschliche Bedürfnisse des «Gottkönigs» ist, dass seine Frau während des Wahlkampfs darauf bestand, eine allzu hübsche Mitarbeiterin aus seinem Stab zu entfernen. Im Waage-Haus (sieben) wird mit der progressiven Venus liebevoller und aufmerksamer Umgang gepflegt. Der progressive Mars in exakter Konjunktion zum progressiven Merkur (beide werden in dieser Amtszeit in ein Trigon zu Saturn und ein Sextil zu Uranus laufen) sorgt für Esprit und männlich anregende Konversation über tra­ditionelle (Saturn) wie fortschrittliche (Uranus) Themen gleichermaßen.

Im Horoskop von Sarkozy finden wir die progressive Venus bei Amtsantritt exakt auf dem transitierenden Neptun auf 20 Grad Wassermann. Die anfangs geheim gehaltene Liebe zu Carla Bruni hat ihm während des Wahlkampfs Kraft gegeben, obwohl er (neptunisch verwirrend) auch seine Noch-Ehefrau in den Wahlkampf mit einbezog. Eine (unscheinbar wirkende) Frau war auch seine Gegnerin im Wahlkampf. Sein Privat­leben hat sich mit der Präsidentschaft nach langen Ehejahren, Arbeit und Zurückgezogenheit aufregend entwickelt. Je mehr sich diese progressive Venus allerdings auf die Opposition mit Pluto zubewegt, desto mehr werden ihre unerlösten Aspekte deutlich. Die Radix-Venus in Schütze steht auch für Gefallsucht und Zweckoptimismus, der sich irgendwann begründen muss. Dazu kommt der progressive Mars in Opposition zu Saturn, der Sarkozy mehr und mehr mit den harten Grenzen der Realität konfrontieren wird. Gerade diese Herausforderung macht ihn interessant, und in einer wahrscheinlichen zweiten Amtszeit erwartet ihn dann ein Quadrat des progressiven Mars zur Venus und fordert von ihm Ernsthaftigkeit in persönlichen und internationalen Beziehungen.

Schröder hatte während seiner knapp zwei Amtsperioden nicht nur Progres­sionsdurchläufe von Venus und Mars, sondern auch der Sonne. Bezeichnenderweise zog er die Wahlen 2005 vor, als seine progressive Sonne sich unaufhaltbar dem Saturn näherte. Diese schwierigeren letzten Jahre seiner Amtszeit waren begleitet von einer Überquerung des Mars über Mondknoten und Pluto, verbunden mit einem Saturn-Transit 2005, was ihn auf einmal sehr angespannt erschienen ließ, und von einem Quadrat des progressiven Merkur zu Jupiter, was ihn in Machtfragen häufiger auf die Pauke hauen ließ. Das «Gedöns» mit den Gewerkschaften, die es wagten, gegen Hartz IV zu sein und Manager vor Gericht zu bringen, ist in unserer guten Erinnerung.

Am Anfang seiner Amtszeit aber ging die progressive Venus wie bei Obama über Uranus, und auch für Schröder war die Liebe während seiner Zeit als Kanzler ein Antrieb, die durch die Adoption seines ersten Kindes indirekt (Fische-Venus) sichtbar wurde. Seine Nähe zu «Promiflair» und High Society am Anfang seiner Amtszeit war hilfreich, die späteren schweren Jahre leichter zu nehmen.


[1] Herbert Blumer, Social Psychology, New York 1937

[2] Jaques Lacan, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, 1964

[3] Michael Roscher, Der Mond, 2006

[4] Auch die siderische Astrologie, denn auch ihr «Realitätsgehalt» des Laufes vor den Sternen verschiebt sich mit der Bewegung der Sterne.

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